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Vorsichtige Verurteilung

Von Antoni Slodkowski

Politik

Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi spricht erstmals von Gewalt gegen Rohingya - aber nicht vom Militär.


Naypyidaw. (reu) Myanmars faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat nach der Flucht von mehr als 400.000 Rohingya ihr Schweigen gebrochen und erstmals Gewalt gegen die muslimische Minderheit verurteilt. "Wir stellen uns gegen alle Menschenrechtsverstöße und rechtswidrige Gewalt", sagte die Friedensnobelpreisträgerin am Dienstag in der Hauptstadt des Landes. Die Schuldigen würden ungeachtet von Religion und politischer Stellung zur Rechenschaft gezogen. Suu Kyi verwahrte sich zugleich gegen Vorwürfe geflohener Rohingya, wonach die Vertreibungen und Gefechte andauerten. Seit zwei Wochen habe es keine bewaffneten Auseinandersetzungen und Räumaktionen gegeben.

Menschenrechtler zeigten sich von Suu Kyis lange erwarteter Rede enttäuscht, die sie als verharmlosend kritisierten. "Es war positiv, dass sie die Menschenrechtsverstöße in der Region Rakhine verurteilt hat, aber sie schweigt noch immer zur Rolle der Sicherheitskräfte", monierte etwa Amnesty International.

"Wir fühlen zutiefst mit denen, die von diesem Konflikt betroffen sind", erklärte die Politikerin in ihrer ersten Ansprache an die Nation seit Beginn der Krise am 25. August. Myanmar wolle Frieden, Stabilität und Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen und dem Leid aller Menschen so schnell wie möglich ein Ende bereiten. Ihr Land wünsche eine dauerhafte Lösung des Konflikts und sei bereit, den geflohenen Menschen die Rückkehr zu ermöglichen.

Suu Kyi hatte in der Zeit der Militärherrschaft in Myanmar viele Jahre im Hausarrest verbracht. Sie wurde und wird dafür im Westen wie im eigenen Land als Kämpferin für Demokratie verehrt. Zuletzt sah sich die 72-Jährige jedoch immer stärkerer Kritik ausgesetzt, weil sie zu der Rohingya-Krise schwieg. Sie bemüht sich offenbar, weder die immer noch einflussreiche Armee zu verärgern, die in Sicherheitsfragen das alleinige Sagen hat, noch Landsleute, bei denen die Rohingya wenig Sympathie haben.

UN-Team wartet auf Einreise

Teile der Bevölkerung in Myanmar betrachten die insgesamt 1,1 Millionen Rohingya als illegale Einwanderer aus Bangladesch. Erst im November fanden in Myanmar die ersten freien Parlamentswahlen seit 25 Jahren statt. Die Verfassung sichert den Streitkräften jedoch weiter drei Ministerposten zu und räumt ihnen ein Veto-Recht bei Gesetzesänderungen ein.

Amnesty International kritisierte Suu Kyis Rede als "wenig mehr denn eine Mischung von Unwahrheiten und Anschuldigungen gegen die Opfer". Sie und die Regierung von Myanmar steckten den Kopf in den Sand, indem sie die Rolle des Militärs totschwiegen. Es gebe erdrückende Beweise, dass sich die Sicherheitskräfte ethnischer Säuberungen schuldig machten. Die Gesellschaft für bedrohte Völker nannte Suu Kyis Äußerungen verharmlosend; sie würden dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht.

China dagegen, das mit den USA um Einfluss in Myanmar ringt, begrüßte die Rede der Friedensnobelpreisträgerin. Die Ansprache werde eine Verständigung erleichtern, sagte der chinesische Botschafter im Land. Sein russischer Kollege erklärte, es gebe keine Beweise für Vertreibungen. Die USA hatten Myanmar am Montag dazu aufgefordert, das militärische Vorgehen gegen die Rohingya zu stoppen.

Der Chef der UN-Untersuchungskommission für die Vorfälle in Rakhine, Marzuki Darusman, wartet unterdessen nach eigenen Worten weiter darauf, von Myanmar ins Land gelassen zu werden. Es gebe immer noch kein klares Signal der Regierung, dass diese das UN-Team tatsächlich einreisen lassen werde, sagte er am Dienstag: "Wir hoffen weiter sehr, dass sich das klärt."

Der Militäreinsatz gegen die Rohingya hatte begonnen, nachdem Angehörige der Minderheit Ende August mehrere Posten der Sicherheitskräfte angegriffen hatten. Seither sind hunderttausende Rohingya ins Nachbarland Bangladesch geflohen. Die Vereinten Nationen bezeichnen das Vorgehen des Militärs als "Paradebeispiel für ethnische Säuberungen". Myanmar weist dies zurück und spricht von Einsätzen gegen Aufständische.