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Des Donalds langer Schatten

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Der Bundesstaat Virginia bestimmt einen neuen Gouverneur und erlebt dabei einen der härtesten Wahlkämpfe seiner Geschichte - dank Donald Trump und dem, was im benachbarten Washington passiert.


Richmond. Die Botschaft fällt dramatisch aus, den Zeiten entsprechend: Nicht weniger als "die Demokratie an sich" stehe auf dem Spiel; angesichts dessen, was sich im nahen Washington D.C. abspiele, bilden die Menschen von Virginia "die erste Verteidigungslinie" - und müssen sich dementsprechend fragen, was sie wollen, von ihrem Land, von ihrem Bundesstaat.

Die Entscheidung, die sie am heutigen Dienstag, den 7.November, treffen müssen, lasse keine Grauzonen zu: Entweder sich dem neuen Autoritarismus ergeben oder ihm in den Arm fallen, bevor er wirklich greift.

Es ist ein Jahr her, seit Donald Trump - am 8. November 2016 - zum neuen Präsidenten der USA gewählt wurde.

Und es ist nun das erste Mal seit dessen Abschied aus dem Weißen Haus, dass Ex-Präsident Barack Obama den Wahlkämpfer gibt. In den vergangenen paar Wochen wirkte es freilich auf seltsame Weise, als hätte Obama die politische Bühne der USA nie verlassen. Mangels populärer Alternativen ist es niemand Geringerer als der Ex-Präsident, der jetzt angesichts der ersten wirklich großen Testwahl der Trump-Ära für seine Partei die Kohlen aus dem Feuer holen soll. Und diesen Dienstag wählen die Einwohner von Virginia sowohl einen neuen Gouverneur als auch ein neues Bundesstaatsparlament. Der Kandidat der Demokraten, der Kandidat, der von Obama unterstützt wird, heißt Ralph Northam, ein Doktor der Medizin, ehemaliger Berufssoldat und Karrierepolitiker. Sein aktueller Job ist der des regierenden Vizegouverneurs. Das Ziel des 58-Jährigen besteht darin, seinen bisherigen Vorgesetzten Terry McAuliffe zu beerben. Der Demokrat McAuliffe - ein langjähriger Freund der Clinton-Familie - darf nicht mehr antreten. Eine Eigenheit des Commonwealth of Virginia, der seinen Vorstehern eine maximale Amtszeit von vier Jahren gewährt.

Der Außenseiter aus dem Kreise der Bush-Familie

Der Kandidat der Republikaner heißt Ed Gillespie und stellt, seinem Gegner nicht ganz unähnlich, so etwas wie das fleischgewordene alte Establishment seiner Partei dar. Der 56-Jährige arbeitete jahrzehntelang in allerlei führenden Funktionen für den Bush-Clan. Prominent in der Öffentlichkeit stand Gillespie zuletzt als nur knapp gescheiterter Kandidat bei den Senatswahlen 2016.

Nicht nur insofern mutet es seltsam an, wie der Mann diesmal seinen Wahlkampf anlegt. Seine Kampagne porträtiert Gillespie als Außenseiter, der - im Verbund mit Trump - der von angeblich faulen Kompromissen geprägten politischen Kultur sowohl Virginias Hauptstadt Richmond als auch in Washington den Garaus machen will.

Dafür spielt Gillespie nun jedes Stück auf der Trump-Klaviatur.

In einem Werbespot verspricht Gillespie, sich im Fall seiner Wahl dafür einzusetzen, dass die Denkmäler für die Heroen der während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) auf der Seite der Südstaaten kämpfenden Soldaten und Offiziere in Virginia stehen bleiben dürfen. Angesichts dessen, dass Gillespie im nordstaatlichen New Jersey geboren und aufgewachsen ist, ist es eine vielleicht weit hergeholte Strategie, aber in puncto Mobilisierung von Stammwählern extrem effektiv. Zu verdanken hat Ed Gillespie seinen Imagewandel nicht zuletzt einer brutalen Vorwahlerfahrung um das Ticket der Republikaner in Virginia.

Gillespie unterlag beinahe der Steve-Bannon-Fraktion

Nur um Haaresbreite entging Gillespie, unterstützt, von allem, was der moderate Flügel der Republikaner in Virginia noch aufzubieten hat, einer blamablen Niederlage gegen Corey Stewart, einem ultrarechten Anwalt, der sich die totale Loyalität zu Donald Trump auf die Fahnen geschrieben hatte. Stewart zählt zu einer von Steve Bannon angeführten Partie von innerparteilichen Rebellen, die jeglichen Widerstand gegen Trumps Agenda, oder das, was der nunmehrige Wieder-Chef der News-Website Breitbart dafür hält, endgültig beenden soll.

Wie mittlerweile jeder andere traditionelle Kandidat seiner Partei kämpft Gillespie mit dem Dilemma, dass die konservative Basis in den acht Obama-Jahren derart radikalisiert wurde, dass ihr mit Sachargumenten nicht mehr beizukommen ist.

Genau in diese Kerbe schlägt der Demokrat Northam im Verbund mit Obama, bisweilen auch unter die Gürtellinie. In einem seiner letzten Werbespots fährt ein Lastwagen durch die Straßen einer ungenannten Stadt in Virginia, dessen Insassen - eine Gruppe Rechtsradikaler samt aller damit einhergehenden Insignien - Jagd auf dunkelhäutige und offensichtlich muslimische Jugendliche machen. Die gänzlich unsubtile Botschaft: Wehret den Anfängen von Charlottesville. Zur Erinnerung: Dort war bei der Gegendemonstration zu einem Neonazi-Aufmarsch Anfang August eine junge Frau ums Leben gekommen, nachdem ein Anhänger der sogenannten "Alt Right"-Bewegung mit seinem Auto in eine Menschenmenge gerast war. Präsident Trump hatte die Ereignisse zuerst spät und dann nur halbherzig verteidigt ("Auf beiden Seiten gab es böse Menschen").

Auch wenn die Umfragen Northam - nicht zuletzt dank der Unterstützung Obamas - favorisieren, scheint das Rennen kurz vor dem Finish unentschieden. Mit 8,4 Millionen hat Virginia, das als eine der ersten Kolonien Anspruch auf Spitznamen wie "Old Dominion" und "Mutter von Präsidenten und Mutter von Staatsmännern" erhebt, ziemlich genau so viel Einwohner wie Österreich. Auch dort ein Stadt-Land-Gefälle: Während die Städte Hochburgen der Demokraten sind, wählt man in den ruralen Gebieten konservativ - was immer das in den USA 2017 auch heißen mag.

Landesweit sind jedenfalls 59 Prozent der Amerikaner mit Präsident Trump unzufrieden. 50 Prozent geben ihm sogar eine "sehr" schlechte Note, und nur 37 Prozent stimmen seiner Amtsführung zu, wie aus einer jüngsten "Washington Post"/ABC News-Umfrage hervorgeht. Das sind nicht nur die schlechtesten Werte in seiner Präsidentschaft, sondern auch insgesamt die negativsten für einen Präsidenten zu diesem Zeitpunkt in den 70 Jahren, seit es derartige Umfragen gibt.