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"USA überlassen China das Feld"

Von Klaus Huhold

Politik

In Asien treffen sich die Supermächte. Eine militärischer Konflikt ist denkbar, sagt der Politologe Alfred Gerstl.


"Wiener Zeitung": Beim Besuch von US-Präsident Donald Trump in China wurden nun Geschäfte abgeschlossen, die ein Volumen von bis zu 250 Milliarden Dollar haben könnten. Ist das ein Zeichen der Annäherung oder eine chinesische Beruhigungspille für einen wütenden Trump, der zuvor immer wieder verbal scharf gegen China geschossen hatte?Alfred Gerstl: Die Chinesen haben das sehr geschickt gemacht. Sie haben Trump mit allen Ehren empfangen, es ist ja ein "Staatsbesuch plus", wie das so schön heißt. Die Vertreter der Volksrepublik waren sich bewusst, dass sich der US-Präsident immer wieder sehr kritisch gegenüber China gezeigt hat. Darüber hinaus hat Trump betont, dass er Deals schließen will, die für die USA vorteilhaft sind. China hat daher nach Geschäften gesucht, die für beide Seiten positiv sind. Das war eindeutig ein Entgegenkommen. Allerdings passiert das ständig bei Staatsbesuchen. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist sehr geschickt darin, deutsche Konzerne einzubinden, damit diese Verträge abschließen können. Das ist mittlerweile Teil der internationalen Diplomatie geworden. Den Chinesen war aber klar, dass das für Trump ganz besonders wichtig ist.

Bei seinem Staatsbesuch spricht der US-Präsident davon, dass die Handelsbeziehungen künftig "fantastisch" sein werden und ist voll des Lobes für seine Gastgeber, in den USA hat er aber auch schon Sanktionen gegen China ins Spiel gebracht. Lässt sich irgendeine konsistente China-Poltik der Trump-Administration erkennen?

Ja und nein. Teilweise ist schon ein bestimmtes Vorgehen sichtbar: Die USA führen immer wieder ihre "Freedom of Navigation Operation" durch, also ihre Patrouillen zur Sicherung des freien Schiffverkehrs auf den Meeren. Trump hat seit seinem Amtsantritt vier derartige Operationen durchführen lassen, während es in der gesamten Ära von Barack Obama nur drei waren. Trump ist wirklich gewillt zu zeigen, dass China seine Grenzen im Südchinesischen Meer nicht endlos ausweiten darf. Die USA sind dann zur Stelle, um dem Internationalen Recht und eigenen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen.



Was macht das Südchinesische Meer denn so bedeutend, dass dort ein derartiger Konflikt entstehen konnte?

Es ist für den Welthandel enorm wichtig, fast ein Drittel der Güterströme fließt durch das Südchinesische Meer. Zudem ist es im gesamten ostasiatischen Raum zum Symbol geworden: Ob China seine eigenen Regeln durchsetzen kann oder sich an das Internationale Recht hält. Und die USA wiederum sind die einzige Nation, die dem Völkerrecht und den international akzeptierten Normen militärisch zum Durchbruch verhelfen können.

Hat China mittlerweile jede Zurückhaltung aufgegeben und will ganz offen Weltmacht werden?

Ja. Beim Kongress der Kommunistischen Partei wurde das deutlich gesagt. Da gab es die Ankündigung, dass China die Kapazitäten daheim stärken und auf dieser Basis international eine bestimmendere Rolle spielen möchte. Das klingt zwar recht freundlich, aber Länder wie Vietnam, das eine schwierige Vergangenheit mit dem chinesischen Nachbarn verbindet, können das auch als Drohung interpretieren. Unter dem jetzigen chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping lässt sich ein deutliches Muster erkennen: China tätigt sehr geschickt seine Investitionen. Ein gutes Beispiel ist der Südostasiatische Staatenbund Asean. China versucht, diesen zu unterwandern und Allianzen zu schmieden. Kambodscha etwa wird wirtschaftlich immer abhängiger von China und vertritt innerhalb Aseans oft offensichtlich die Interessen der Volksrepublik.

Aber schwanken die meisten Länder in der Region - etwa auch Vietnam und die Philippinen, wo Trump noch hinfährt - zwischen China und den USA hin und her?

Ja. Solange China und die USA ungefähr in einem Machtgleichgewicht zueinander stehen, müssen die Länder in der Region eine Balance finden, dürfen keinen der beiden verärgern. Ziehen sich die USA zurück, bliebe den Ländern in der Region nichts anderes, als sich an China anzulehnen.

Aber droht ein derartiger Rückzug?

Sicherheitspolitisch sind die USA noch die dominante Macht in Ostasien. Nur hat Trump die Trans Pacific Partnership (großes Freihandelsabkommen unter Ausschluss Chinas, Anm.) aufgegeben, die Obama versucht hat aufzubauen. Dieser strebte danach, dass die USA neben ihrer militärischen Verankerung auch eine stärkere wirtschaftspolitische Präsenz zeigen. Ohne TPP geht dieser Einfluss der USA verloren, sie überlassen China das Feld.

Womit sich auch der politische Einfluss Chinas ausweitet. . .

Das ist ein weiterer Punkt. Xi Jinping hat beim Parteitag betont, dass China kein anderes Modell übernimmt, sondern ein eigenes hat. Jetzt ist die nächste Überlegung, ob dieses Modell nicht exportiert werden soll. Nicht mit Gewalt, sondern dass es anziehend wirkt. Indem China propagiert: Wir haben eine starke Entwicklungsdiktatur mit einer starken politischen Regierungsführung. Das ist für viele Länder in Südostasien sehr attraktiv. Unter Trump haben die USA nun nicht mehr das Selbstverständnis, dass sie für die Demokratie und Menschenrechte auftreten müssen. Damit kann China sein Modell propagieren, ohne auf Druck der USA zu stoßen.

In welchen Ländern zeigt sich das bereits?

Etwa in Thailand. Dort ist noch immer eine Militärjunta an der Macht, und es kommt kein Druck aus den USA. Unter Barack Obama hat es noch starke Kritik an dem Militärputsch gegeben, daraufhin hat sich Thailand China angenähert. Das heißt auch: Wenn der Westen Prinzipien, die für ihn zentral sind, durchzusetzen versucht, kann das geopolitisch negative Auswirkungen für ihn haben, nämlich dass China seine Position stärkt. Andererseits stellt sich die Frage, wie zynisch Politik sein darf. Demokratie und Menschenrechte sind dem Westen ein Anliegen, deswegen muss er sie auch gegen Widerstände durchzusetzen.

Verfolgt China nun eine bestimmte Strategie gegenüber den USA?

China hat den Vorteil, dass es - im Gegensatz zu den USA unter Trump - eine klare Strategie besitzt. Diese ist sehr langfristig ausgerichtet. Dabei will Peking seine Position in Ostasien stärken und damit wirtschafts- und sicherheitspolitisch auch den Einfluss der USA zurückdrängen.

Wie gefährlich ist dieses Aufeinanderprallen einer etablierten mit einer aufstrebenden Superacht? Historisch hat eine solche Konstellation zumeist zu einem Krieg geführt.

Wir beobachten einen Kampf um die Vormachtstellung in Ostasien. Das Potenzial für eine militärische Auseinandersetzung oder zumindest einen Kalten Krieg zwischen den USA und China ist gegeben. Einzelne Ereignisse könnten eskalieren, am ehesten könnte dabei im Südchinesischen Meer die Lage aus dem Ruder laufen. Beide Seiten haben aber kein Interesse, dass ein Krieg ausbricht - nicht nur zwischen ihnen, sondern etwa auch zwischen China und Indien oder in Südostasien. Sowohl China als auch die USA wollen nicht, dass der Terrorsismus zunimmt. Auch in anderen Sicherheitsbereichen, etwa der Eindämmung des Menschen- und Drogenschmuggels, können beide Staaten profitieren, wenn sie zusammenarbeiten. Sie teilen also viele Interessen - vor allem trifft das auf den wirtschaftlichen Bereich zu, in dem sie ganz eng verflochten sind.

Dabei drohen die USA doch mit einem Handelskrieg.

Trump hat aber bereits viele Drohungen zurückgenommen, die er noch als Kandidat ausgesprochen hat. Er ist hier sicher realistischer geworden. Wichtig ist auch, dass er Xi Jinping schon zwei Mal getroffen habt. Es scheint, dass es für Trump sehr wichtig ist, eine persönliche Beziehung zu anderen Staatschefs aufzubauen.

Könnte aber nicht die Nordkorea-Krise noch einen Keil zwischen die beiden Länder treiben?

Hier werden sie wahrscheinlich einen Kompromiss finden, der beide Seiten das Gesicht wahren lässt. China wird wohl versprechen, mehr Druck auf Nordkorea aufzubauen, und ich könnte mir vorstellen, dass Trump das die nächsten Monate auch so akzeptiert.

Zur Person

Alfred

Gerstl

ist Politologe und forscht und unterrichtet am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien. Zuvor hat er Internationale Beziehungen an der Macquarie University in Sydney unterrichtet. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Sicherheitspolitik in Ostasien, die zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt.