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Riskante Asien-Reise des Papstes

Von Klaus Huhold und WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Franziskus besucht Myanmar und Bangladesch. Damit landet er mitten im Konflikt um die verfolgte moslemische Minderheit der Rohingya. Das entspricht ganz seinem Selbstverständnis.


Naypyidaw/Rom/Wien. Zuerst begrüßten ihn Kinder am Flughafen mit Blumensträußen. Dann, bei der Fahrt in Myanmars größte Stadt Rangun, winkten am Straßenrand tausende Menschen Papst Franziskus zu, manche von ihnen hatten sogar Tränen in den Augen. "Es ist ein Jahrhundertereignis", sagte Win Min Set, der die Anreise von 1800 Katholiken aus dem Westen und Süden des Landes organisiert hatte, der Nachrichtenagentur Reuters.

Doch der Empfang war wohl noch die einfachste Übung für Franziskus. Denn mit seinem Besuch in Myanmar und Bangladesch, der am Montag begann und bis zum Wochenende dauert, begibt sich der Papst auf äußerst heikles Terrain. Es soll Diplomaten im Vatikan geben, die ihm von dieser Reise abgeraten haben.

Es geht nämlich bei diesem Papst-Besuch nicht nur um die Stärkung der Katholiken, die in beiden Ländern eine kleine Minderheit sind - im vorwiegend buddhistischen Myanmar stellen sie ein Prozent, im großteils moslemischen Bangladesch nicht einmal 0,3 Prozent der Bevölkerung. Der Papst ist hier auch mitten in einem gewaltsamen Konflikt gelandet.

Massenflucht der Entrechteten

Mehr als 600.000 Rohingya, die dem moslemischen Glauben angehören, sind in den vergangenen Monaten in das benachbarte Bangladesch geflohen und leben dort in improvisierten Flüchtlingslagern, in denen es am Nötigsten fehlt. Der Konflikt um die Minderheit schwelt schon seit Jahren und hat zuletzt enorm an Brutalität zugenommen. Obwohl viele Rohingya seit Generationen in Myanmar leben, erhalten sie keine Bürgerrechte. Sie sind staaten- und somit auch rechtlos und zudem mit einer von nationalistischen buddhistischen Mönchen angeheizten anti-moslemischen Stimmung konfrontiert.

Aufseiten der Rohingya hat sich mittlerweile mit der Arakan Rohingya Salvation Army eine bewaffnete Aufstandsarmee gebildet. Diese hat im August einen Polizeiposten angegriffen und dabei dutzende Sicherheitskräfte getötet. Seitdem unternimmt das Militär eine Gegenoffensive gegen die Aufständischen. Dabei kommt es aber offenbar zu zahlreichen Übergriffen auf Zivilisten. Geflohene Rohingya berichten von willkürlichen Morden und Brandschatzungen. Die UNO, die US-Regierung und Menschenrechtsorganisationen sprechen von "ethnischen Säuberungen".

Nun wird mit Spannung darauf gewartet, wie sich der Papst dieser Thematik annehmen wird. Charles Bo, der erste und von Franziskus vor zwei Jahren ernannte Kardinal von Myanmar, hat Franziskus gebeten, besonders vorsichtig mit seiner Wortwahl zu sein. Allein der Begriff "Rohingya" ist politisch besetzt. Wer "Rohingya" sagt, der fordert aus Sicht der immer noch bestimmenden Militärs im Land implizit Rechte für diese Minderheit. Das würden die Generäle nicht gerne hören.

Staat formiert sich neu

Der Papst besucht ein Land, das sich über seine eigene Zukunft noch unklar ist. Myanmar befindet sich mitten im politischen Wandel. Jahrzehntelang herrschte eine Militärdiktatur, mittlerweile wurde der Übergang in eine Demokratie eingeleitet, in der aber noch immer nichts gegen den Willen der Armee geht.

In dieser Übergangsphase wird gerade die zukünftige Verfasstheit des Staates ausgehandelt. Können die jahrzehntelangen bewaffneten Konflikte, die das Militär mit den Rebelleneinheiten auch anderer Minderheiten führt, beigelegt werden? Wie viel Raum und wie viele Rechte erhalten künftig in dem Vielvölkerstaat die verschiedenen Ethnien und religiösen Gruppen?

Der Papst-Besuch kann hier Einfluss nehmen, und das macht ihn riskant. Wenn Franziskus in der Rohingya-Frage Porzellan zertrümmert, müssen Minderheiten büßen, lautet die Befürchtung. Ma Ba Tha, eine Vereinigung nationalistischer Mönche, hat bereits vor einer "Antwort" gewarnt, sollte er das Rohingya-Thema offen ansprechen. Sollte Franziskus aber einen Bogen um diese Problematik machen, dann macht er sich angreifbar. Seinen ersten schwierigen Termin hat der Papst schon hinter sich. Am Montag traf er mit dem Oberbefehlshaber der Armee, Min Aung Hlaing, zusammen. Über das Gespräch drang aber nicht viel nach außen.

Am Dienstag begegnet Franziskus der Friedensnobelpreiträgerin und De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, die im Westen heftig dafür kritisiert wird, dass sie die Übergriffe auf die Rohingya bagatellisiere. Dann am Mittwoch hält Franziskus eine Messe in Rangun, zu der mindestens 150.000 Besucher erwartet werden. Wann er die ersten Rohingya-Vertreter treffen wird, ist unklar. Vielleicht erst am Freitag, bei einem interreligiösen Dialog in Bangladesch.

Kirche soll sich einmischen

Aber warum stürzt sich das Oberhaupt der Katholiken in eine so komplizierte Mission, in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen? Seine dritte Asienreise entspricht dem Selbstverständnis dieses Papstes. In Myanmar und Bangladesch begibt sich Franziskus ganz besonders an die "existenziellen Peripherien", die er seit Beginn seines Pontifikats zum Zentrum der Kirche machen will. Dieses Programm zielt zum Ärger katholischer Puristen nicht nur auf verfolgte Christen, sondern auf Verfolgte und Benachteiligte aller Art. Der Papst setzt auf die einigende Kraft des interreligiösen Dialogs, insbesondere da, wo Religion als Mittel zum Machterhalt benutzt wird.

Der politische Aktionismus des Papstes ist umstritten. Der Vatikan schaltet sich in den vergangenen Jahren wieder vermehrt als Vermittler in Krisenregionen ein, das zeigen die Beispiele Kuba, Kolumbien oder Zentralafrikanische Republik. Diese politisch-diplomatische Mission der Kirche wird in der Kurie mit Argwohn betrachtet. Theologie und Evangelisierung müssten den Vorrang haben vor der Einmischung in Machtfragen, behaupten Papst-Kritiker.

Franziskus hingegen ist der Ansicht, dass die Kirche ihren Zweck nur dann erfüllt, wenn sie nicht ihren Status quo verteidigt, sondern sich einmischt, wenn Menschen in ihrer Existenz bedroht sind. Das ist in Myanmar und Bangladesch zweifellos der Fall.