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Triumph für Nepals Linke

Von Klaus Huhold

Politik

Die Wahl im Himalaya-Staat hat eine klare Mehrheit gebracht. Das nährt die Hoffnung auf Stabilität.


Kathmandu/Wien. Die einen loben seine Kämpfernatur, die anderen fürchten seinen Machthunger. Khadga Prasad Oli hat eine bewegte Biografie vorzuweisen. 1970 trat er in die Kommunistische Partei Nepals ein, drei Jahre später wurde er verhaftet und saß 14 Jahre im Gefängnis. Damals hatte der König alle politischen Parteien verboten. Als diese Anfang der 1990er Jahre zugelassen wurden, bekleidete Oli, der in eine hohe hinduistische Kaste hineingeboren wurde, mehrere Ministerämter. Im Oktober 2015 wurde er gar Premier, musste aber nicht einmal ein Jahr später wegen Streitigkeiten innerhalb seiner Koalition zurücktreten.

Nun greift Oli erneut nach dem höchsten Amt des nepalesischen Staates. Denn auch wenn noch nicht alle Stimmen der Parlamentswahlen ausgezählt sind, steht der Gewinner schon fest: Eine linke Allianz hat sich die Mehrheit gesichert.

Die Vereinigte Marxistisch-Leninistische Partei, die von Oli angeführt wird, und die Maoisten haben sich bereits 116 der 165 durch Direktwahl vergebenen Sitze gesichert. Und auch bei den restlichen 110 Sitzen, die nach Verhältniswahlrecht besetzt werden, hat die Linke die Nase vorn. Der große Verlierer ist die dritte Großpartei Nepals, die sich selbst mehr in der Mitte ansiedelnde Kongresspartei, die nur auf einen Bruchteil der Sitze kommt.

Damit ist auch das Nachbarland Indien, das beste Beziehungen zur Kongresspartei pflegt, einer der großen Verlierer der Wahl. Nepal ist allein schon aufgrund seiner großen Wasserreserven von enormer Bedeutung für Indien. Das mächtige Nachbarland hat auch immer kräftig in Nepals Politik mitgemischt. Doch zuletzt hatte Indien sehr viele Sympathien verspielt.

Denn im vergangen Jahr protestierten die indisch-stämmigen Madhesis gegen die neue Verfassung - ihre Vertreter stießen sich daran, dass die Einteilung der Provinzen entlang von geografischen und nicht von ethnischen Gesichtspunkten verlief. Indien unterstützte die Madhesis und blockierte zu diesem Zweck den Warenverkehr an der Grenze, was zu Engpässen, etwa von Benzin, führte.

Linkspolitiker, allen voran Oli, kritisierten Neu Delhi dafür scharf und wandten sich an China, den zweiten großen Nachbarn. So konnte an der Grenze zu China ein wenig ausgeglichen werden, was an der Grenze zu Indien an Einfuhren verloren ging. Für die Volksrepublik als auch für Oli war das eine Win-win-Situation: China hat seinen Einfluss in Nepal vergrößert. Oli und seine Mitstreiter wiederum konnten sich rühmen, dass sie diesen Warenverkehr mit China ermöglicht haben. Was ihnen die Wähler, wie die Ergebnisse nun zeigen, hoch angerechnet haben.

Kommentatoren und Analysten in Nepal nennen noch weitere Gründe für den Sieg des Linksbündnisses: Dessen Parteien waren im Wahlkampf besser organisiert und konnten so stärker mobilisieren. Auch, dass der Linksblock als Favorit bei dem Votum galt, hat ihm offenbar Stimmen eingebracht. Viele Wähler entschieden sich für den voraussichtlichen Sieger, damit dieser eine ausreichende Mehrheit erhält.

Denn die Sehnsucht nach Stabilität ist groß. Nepal hat zwei turbulente Jahrzehnte hinter sich: Die Monarchie wurde abgeschafft, der bewaffnete Aufstand der Maoisten - die sich nach einem Friedensvertrag mittlerweile in eine politische Partei verwandelt haben - forderte rund 16.000 Todesopfer, ständig stürzten Regierungen, wechselten die Premiers. Hinzu kam noch das verheerende Erdbeben, das 2015 mehr als 8000 Menschenleben kostete.

Die Nepalesen hoffen, dass sich nun endlich eine Regierung mehrere Jahre im Amt halten und so die drängendsten Herausforderungen angehen kann. Dazu zählen der wirtschaftliche Aufbau dieses sehr armen Landes, die Bekämpfung der Korruption sowie ein Ausgleich zwischen den Gebirgsregionen und dem Tiefland.

Den Rahmen dafür soll die neue Verfassung geben, die in mühseliger, jahrelanger Kleinarbeit entstanden ist. Regierungen können nun nicht mehr so leicht, etwa durch Misstrauensanträge, gestürzt werden. Zudem wurden Provinzparlamente geschaffen. Nepal wird künftig föderaler regiert, was wiederum für einen größeren Ausgleich sowohl zwischen den Regionen als auch den einzelnen ethnischen Gruppen in dem Vielvölkerstaat sorgen soll.

Grund zur Skepsis

Trotzdem gibt es Gründe, skeptisch zu sein, ob es mit Nepal nun bergauf geht. Denn die größten politischen Parteien werden noch immer von derselben Elite dominiert. Die wichtigsten Positionen besetzen hauptsächlich Hindu-Männer, die einer hohen Kaste entstammen. Diese betreiben oft Klientelpolitik - weshalb auch ideologische Zuschreibungen in Nepal relativ sind. Und es sind dieselben Politiker, die in den vergangenen Jahren für Chaos gesorgt haben.

Auch die Linke hat schon oftmals Allianzen geschmiedet - die immer wieder aufgrund von Intrigen und persönlichen Streitigkeiten zerbrochen sind. Das war auch der Fall, als Oli seine erste Chance als Premier erhielt. Er schaffte es damals nicht, die verschiedenen Interessensgruppen in seiner Regierung unter einen Hut zu bringen. Das war einer der Gründe, warum damals die Hilfe für die Erdbebenopfer nur äußerst schleppend vorankam. Nun erhält Oli eine zweite Chance. Versprochen hat er das, wonach sich seine Landsleute am meisten sehnen: mehr Wohlstand und mehr Stabilität.