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Liberias Vertreibung blutiger Gespenster

Von Klaus Huhold

Politik

Kindersoldaten, Blutdiamanten, Bürgerkrieg: Das westafrikanische Land hat eine brutale Geschichte hinter sich. | Nun könnte es mit einem friedlichen Machtwechsel einen großen Schritt nach vorne machen.


Monrovia/Wien. Die blutige und grausame Anekdote erzählt viel über Liberias Vergangenheit. Als 1990 die Schergen des berüchtigten Warlords und späteren Präsidenten Charles Taylor den damaligen Diktator Samuel Doe fassten, schnitten sie ihm beide Ohren ab (angeblich wollten sie wissen, wo Doe sein Geld gehortet hat). Doe verblutete schließlich.

Die Ermordung Does ereignete sich mitten im Bürgerkrieg, der das Land von 1989 bis 2003 heimsuchte. Liberia stand damals exemplarisch für all das Negative und Zerstörerische, das mit dem Kriegs- und Krisenkontinent Afrika assoziiert wurde: Politiker, die Kriegstreiber waren - Charles Taylor etwa wurde mittlerweile als Kriegsverbrecher verurteilt. Blutdiamanten, durch die sich die Kriegsherren bereicherten. Unter Drogen gesetzte Kindersoldaten, die ihre Opfer verstümmelten. Vergewaltigungen, die als Kriegswaffe eingesetzt wurden.

Ganz anders waren die Bilder, die diese Woche aus dem westafrikanischen Land kamen: Bürger, die sich geduldig vor Wahllokalen anstellen. Mitglieder der Wahlkommission, die unter den Augen zivilgesellschaftlicher Organisationen und internationaler Beobachter die Stimmen auszählen.

Liberia hat diese Woche einen neuen Präsidenten gewählt, und das Votum ist ein entscheidender Schritt, um die Gespenster der Vergangenheit zu vertreiben. Wenn alles gut geht, markiert die Wahl nämlich den ersten demokratischen Machtwechsel in dem Land, das 1847 einst von freigelassen amerikanischen Sklaven gegründet wurde. Die auf zwei Amtszeiten beschränkte Präsidentschaft von Ellen Johnson-Sirleaf, die 2006 die erste Wahl nach dem Bürgerkrieg gewann und 2011 wiedergewählt wurde, hat ihr Ende gefunden. Am Dienstag fand die Stichwahl um ihre Nachfolge statt. Ex-Fußballstar George Weah trat dabei gegen den bisherigen Vizepräsidenten Joseph Boakai an. Die Ergebnisse werden im Laufe dieser Woche erwartet.

Bitterarmes Land

Weah, der selbst in einem Slum aufwuchs, versprach eine verstärkte Armutsbekämpfung und dass er den sozialen Wandel beschleunigen werde. Boakai wiederum hatte viel mehr diplomatische Erfahrung vorzuweisen und war der personifizierte Garant für Stabilität. Wer die Wahl auch gewinnt - und Weahs Lager zeigte sich nach den ersten Teilergebnissen schon sehr siegessicher -, steht vor einer immens schwierigen Herausforderung.

Denn noch immer zählt Liberia zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Wirtschaft ist zwar in den vergangenen Jahren gewachsen. Aber das basierte auf einem niedrigen Niveau, und die Bürger hatten sich mehr Aufschwung erhofft. Die niedrigen Preise für Eisenerz haben die Wirtschaft in den vergangenen Jahren zurückgeworfen. Der größte Rückschlag war aber die Ebola-Epidemie, die zwischen 2014 und 2016 rund 4800 Todesopfer forderte und das Land zum Erliegen brachte.

Der nächste Präsident sollte Ökonomen zufolge die Korruption bekämpfen, die Wirtschaft breiter aufstellen und in Bildung investieren. Es stellt sich aber die Frage, mit welchem Geld er das machen soll. Liberia hat ein äußerst niedriges Budget, und die Einnahmen schwanken mit den Rohstoffpreisen. Mit Ellen Johnson-Sirleaf war in den vergangenen Jahren sogar eine angesehene Ökonomin Staatsoberhaupt, die einst für Banken gearbeitet und das Entwicklungsprogramm der UNO für Afrika geleit hatte. Aber auch sie konnte keine Wunder bewirken.

Johnson-Sirleaf hat Liberia aber Jahre des Friedens gebracht, und das ist ihre große Hinterlassenschaft, an der sich der Sieger, aber auch der Verlierer der nunmehrigen Wahl messen wird müssen. Es wird an Weah und Boakai sowie ihren Gefolgsleuten liegen, dass sie nicht alte Gräben aufreißen und die Institutionen des Landes, wie das Endergebnis auch aussehen mag, akzeptieren. Wenn der Machtwechsel friedlich verläuft, könnte Liberia gar als Beispiel für andere Länder dienen, die mit den Folgen eines Bürgerkriegs zu kämpfen haben.