Seoul. Nach über zwei Jahren de facto vollständiger Funkstille treffen heute, Dienstag, erstmals zwei hochrangige Delegationen der zwei Koreas aufeinander. Im symbolischen Friedensdorf Panmunjom entlang der innerkoreanischen Grenze werden sie über Möglichkeiten zur Verbesserung der angespannten Beziehungen verhandeln. Die Erwartungen an die ersten gemeinsamen Gespräche seit August 2015 sind hoch, doch Experten mahnen zur Vorsicht.
Die Delegation aus Seoul leitet Vereinigungsminister Cho Young-
gyon, der bereits auf reichhaltige Verhandlungserfahrung mit Pjöngjang zurückblicken kann. So war der linksgerichtete Politiker unter anderem beim zweiten und bislang letzten innerkoreanischen Spitzentreffen im Jahr 2007 anwesend, bei dem die Staatsoberhäupter beider Staaten direkt aufeinandertrafen. Auch sein nordkoreanisches Pendant Ri Song-kwon, Vorsitzender des Komitees für die friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes, gilt als hochrangiger Militär und enger Vertrauter Kim Jong-uns.
Zumindest sportdiplomatisch werden sich die fünfköpfigen Delegationen vermutlich rasch einig: Die von beiden Seiten gewünschte Teilnahme nordkoreanischer Athleten scheint nur mehr reine Formsache. Südkoreas Regierung betrachtet diese als symbolische Absicherung, dass es während der Winterspiele zu keinen militärischen Eskalationen kommt.
Chang Un, Nordkoreas einziges Mitglied des Olympischen Komitees, teilte Reportern bereits am Flughafen Peking mit, dass Nordkorea "wahrscheinlich" bei den Olympischen Spielen teilnehmen werde. Chang befindet sich auf dem Weg nach Lausanne, wo er auf IOC-Präsident Thomas Bach treffen wird und aller Voraussicht nach auch über finanzielle Unterstützung der nordkoreanischen Wintersportathleten diskutieren wird. In Südkorea würden laut einer repräsentativen Umfrage knapp über die Hälfte der Bevölkerung eine solche gutheißen.
Seoul will breite Themenliste
"Wenn Nordkorea in Pyeongchang teilnimmt, würde dies das Profil der Olympiade als Friedensspiele stärken", bekräftigte auch die Seouler Außenministerin Kang Kyung-hwa am Montag. Ganz unumstritten ist Seouls Einladungspolitik jedoch nicht. Als Südkorea beispielsweise im Jahr 1988 die Sommerolympiade ausgerichtet hat, wurde das südafrikanische Apartheidsregime aufgrund von Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen. Nordkorea mit seinem katastrophalsten Menschenrechtsregister wird ausnahmslos willkommen geheißen.
Ministerin Kang machte deutlich, dass sich Südkorea auch über Sportfragen hinausgehende Diskussionen von dem Treffen erwartet. Aus dem Vereinigungsministerium in Seoul heißt es, man werde um Zusammenführungen durch den Koreakrieg getrennter Familien ersuchen. Dies könne die militärischen Spannungen abbauen, sagte Minister Cho. Ob bei dem morgigen Treffen auch kontroverse Themen angesprochen werden, etwa Nordkoreas Atomwaffen, ließ er bewusst offen.