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Europa-Tag in Davos

Von Thomas Seifert aus Davos

Politik

Auftritt der großen Drei beim Weltwirtschaftsforum. Merkel, Macron und Gentilioni demonstrierten europäische Harmonie.


Davos. Nun hatte Angela Merkel doch ihren Auftritt in Davos. Zuerst hatte das Bundeskanzleramt gezögert - Berlin wollte abwarten, ob bis zum geplanten Auftritt der Kanzlerin auch die Vorbereitungen zur Regierungsbildung weit genug gediehen sind. Merkel ist seit Jahren regelmäßig Gast beim Word Economic Forum (WEF) in Davos in den Schweizer Bergen. Und die deutsche Kanzlerin ist ganz nach dem Geschmack des Homo davosiensis - jener Spezies aus Polit- und Wirtschaftseliten, die sich hier alljährlich trifft. Die Davos-Eliten schätzen Sachlichkeit, Verlässlichkeit und Vernunft.

In ihrer Rede sprach Merkel über die Gefahr des Nationalismus und Protektionismus. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass "sich die Fehler des 20.Jahrhunderts wiederholen", sagte sie. Merkel tat dies freilich, ohne US-Präsident Donald Trump, der heute, Donnerstag, in Davos erwartet wird, namentlich zu nennen, oder dessen Zugang "America first" zu erwähnen. "Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt, dass Protektionismus nicht die Antwort ist", sagte sie und wiederholte damit die Botschaft, die der indische Premierminister Narendra Modi bei seiner Eröffnungsrede am Dienstag ausgesandt hatte. Sie sprach sich für eine Stärkung der EU aus: "Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigenen Hände nehmen. Die einheitliche europäische Außenpolitik ist unterentwickelt." Sie erinnerte daran, dass ein Großteil der globalen Konflikte "vor unserer Haustür stattfindet" - etwa der Syrien-Konflikt, bei dessen Lösung die EU so gut wie absent war.

EU hinkt in Digitalem hinterher

Merkel sprach aber auch über die nötigen weiteren wirtschaftlichen Integrationsschritte und nahm dabei vor allem auf den Bereich digitaler Innovationen Bezug: Der digitale Binnenmarkt in der EU müsse schnellstmöglich vollendet werden, weil auch die USA und China in diesen Bereichen schnell große Fortschritte machen. Im Gespräch mit Klaus Schwab, dem Gründer des Weltwirtschaftsforums, ging Merkel darauf ein, dass Deutschland und Europa im Bereich der künstlichen Intelligenz (AI) und anderen IT-Spitzentechnologien hinterherhinke. Das habe einerseits damit zu tun, dass manche Dinge in Europa und in Deutschland auch ohne Einsatz von AI gut funktionieren und somit die Dringlichkeit fehle. Dies würde sich aber rächen, denn in diesen Bereichen würden die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen.

Breiten Raum nahm in Merkels Rede die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus ein - ohne freilich die rechtspopulistische AfD in Deutschland namentlich zu nennen. Vorurteile gegen Religionsgruppen wie Muslime oder ganze Völker zu schüren, sei gefährlich: "Sie müssen jeden Menschen einzeln sehen. Das ist mühselig, aber solange Sie die Individualität jeder Person nicht in den Mittelpunkt stellen, und schon ein Vorurteil haben, wenn jemand vor Ihnen steht, ohne dass Sie noch ein Wort mit ihm gesprochen haben, ist das Einfallstor für den Rechtspopulismus da." Dieser Fehler der Generalisierung sei auch bereits bei der Eurokrise gemacht worden, als die Griechen als faul und die Deutschen als geizig hingestellt worden sind. Damals sei der Eindruck geschürt worden, andere könnten auf Kosten der Deutschen leben. Merkel verzichtete aber auch an dieser Stelle zu erwähnen, dass dies der Raison d’Être für die AfD war. In der Flüchtlings- und Migrationskrise im Sommer 2015 sei dann bei manchen der Eindruck entstanden, ihnen werde "etwas weggenommen". "Wenn das zusammenkommt mit einer wirtschaftlichen Schwäche und einer hohen Arbeitslosigkeit, dann ist die Gefahr einfach sehr groß, dass daraus eben diese Kraft entstehen kann, die sagt: Nur noch wir selbst", sagte Merkel. Populismus sei ein "Gift", das entstehe, wenn es unbewältigte Probleme gebe.

Einig gegen Populismus

Vor Merkel hatte sich ebenfalls der italienische Premier Paolo Gentiloni zum Thema Populismus geäußert: Er erinnerte daran, dass in Italien Wahlen anstehen. "Radikaler Populismus ist mittlerweile in Europa endemisch, politische Fragmentation ist die neue Norm." Die Populisten würden einfache Lösungen vorschlagen und "sie geben regelmäßig die falschen Antworten auf die richtigen Fragen."

Als hätte Gentiloni sich mit Merkel abgesprochen, warnte er auch davor, die digitale Herausforderung zu ignorieren. "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine kosmopolitische Elite künftig einer Unterklasse gegenübersteht." Angesichts der guten Wirtschaftsdaten - das Wachstum betrug 2017 1,6 Prozent statt der prognostizierten 0,7 Prozent, zudem wurden 2017 eine Million Arbeitsplätze geschaffen, die höchste Zahl seit 40 Jahren - zeigte sich Gentilioni optimistisch, dass die Populisten bei den Wahlen nicht erfolgreich sein werden.

Der dritte im Reigen der europäischen Spitzenpolitiker war schließlich Emmanuel Macron, der seine Rede - auf Englisch - mit einem Scherzchen eröffnete: "Wenn man hier nach Davos kommt und die Schneemassen dieses Jahr sieht, könnte man glatt zur Ansicht kommen, dass es den Klimawandel gar nicht gibt. Gottseidank haben Sie dieses Jahr niemanden eingeladen, der Klimaskeptiker ist", sagte Macron in Anspielung auf Donald Trump. Macron versprach, bis 2020 alle französischen Kohlekraftwerke zu schließen. Seine Kernbotschaft war aber: Frankreich ist zurück auf der Weltbühne - das bedeutet für Macron: Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und ein Bekenntnis zu multilateralen Lösungen. Er sprach sich zudem gegen Steuer- und Sozialdumping aus.