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Angst vor Chinas Vergeltung

Von Ronald Schönhuber

Politik

Nach der kurzfristigen Entspannung stehen die Zeichen im Handelsstreit zwischen den USA und China wieder auf Konfrontation. US-Unternehmen in China warnen bereits von einer unkontrollierbaren Eskalation.


Washington/Peking. Als Donald Trump Mitte November zu Besuch kam, hatte die chinesische Führung alles aufgeboten, womit man den US-Präsidenten beeindrucken kann. Über dem Platz des himmlischen Friedens donnerten Salutschüsse, die Lederstiefel der Ehrengarde knallten mit eindrucksvoller Präzision gegeneinander. Und auch sonst verlief der Staatsbesuch ganz nach dem Geschmack des Gastes aus Amerika. Mit sichtlichem Stolz konnte Trump am Ende seines Aufenthalts die Unterzeichnung von Wirtschaftsabkommen in der Höhe von 250 Milliarden US-Dollar verkünden.

Der drohende Handelskonflikt, den Trump mit seiner harschen Kritik an den chinesischen Exportüberschüssen selbst immer wieder befeuert hatte, schien damit vorerst zu beiderseitigem Vorteil beigelegt zu sein. Noch während seines Besuchs in Peking revanchierte sich der US-Präsident für die große Show und die "Arbeitsplätze schaffenden Abkommen" mit der Ausgabe einer neuen Marschrichtung: Nicht mehr China sollte daran schuld sein, dass viel mehr Waren in die USA geliefert werden als umgekehrt, sondern frühere US-Regierungen.

Dass die konzilianten Töne, die der Abschottungsbefürworter Trump in China angeschlagen hat, bestenfalls eine Momentaufnahme waren, hat sich allerdings erst vor kurzem wieder deutlich gezeigt. Denn mit den in der vergangenen Woche von der US-Regierung verhängten Strafzöllen auf Waschmaschinen und Solarpaneelen von bis zu 50 Prozent wird vor allem China getroffen, das bei beiden Produkten zu den weltweit größten Herstellern zählt und von Trump auch verbal wieder zur Zielscheibe gemacht wird. Der Schritt zeige, dass sich die USA nicht mehr ausnutzen ließen, sagte Trump bei der Unterzeichnung des Erlasses über die Strafzölle. "Die Menschen werden wieder Jobs bekommen, und wir werden wieder unsere eigenen Produkte herstellen. Das ist lange her."

Die Zölle für Waschmaschine und Solarpaneele dürften allerdings erst der Auftakt für weitere handelspolitische Scharmützel gewesen sein. Denn die Bemühungen der US-Regierung, die Importflut einzudämmen, laufen schon die längste Zeit auf Hochtouren. Um gegen mögliche Dumping-Preise vorgehen zu können, hat das Wirtschaftsministerium seit Trumps Amtseinführung nicht weniger als 84 Untersuchungen gestartet, in deren Fokus neben Kanada und Mexiko vor allem China steht.

Dorthin, wo es wehtut

Entsprechend gespannt wurde daher auch Trumps erste Rede zur Lage der Nation in der Nacht auf Mittwoch erwartet, bei der der US-Präsident auch die Handelsbeziehungen zu China zum Thema machen wollte. Schließlich galt es im Vorfeld nicht als ausgeschlossen, dass der Präsident sein "America First"-Credo bei dieser Gelegenheit auch gleich mit der Ankündigung weiterer Strafmaßnahmen gegen die Volksrepublik unterstreichen könnte.

Doch Trumps Strategie ist nicht ohne Risiko. Denn im schlimmsten Fall könnten sich die Spannungen dermaßen verschärfen, dass auch die in China tätigen US-Unternehmen oder wichtige Exporteure wie etwa Boeing massiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Die US-Handelskammer in China warnte daher bereits unmittelbar vor Trumps Rede vor einer nicht mehr zu kontrollierenden Eskalation. "Ein Handelskrieg wäre nicht hilfreich für unser Geschäft", sagte deren Vorsitzender William Zarit. Sollte Trump gegen die Verletzung von Urheberrechten oder Chinas Stahl- und Aluminiumexporte vorgehen, werde China "definitiv Vergeltung üben". Laut Zarit, der sich in letzter Zeit intensiv mit chinesischen Offiziellen ausgetauscht hat, wird die Volksrepublik dabei gezielt Bereiche aufs Korn nehmen, die große politische Bedeutung hätten. "Am offensichtlichsten sind Landwirtschaft und Flugzeuge", sagte Zarit. In beiden Bereichen hätten die USA einen Handelsüberschuss mit China. Die Landwirtschaftsprodukte stammten zudem hauptsächlich aus Bundesstaaten, die Trump gewählt hätten. Auch könnte China eigene Ermittlungen wegen Dumpings, also angeblich unter Preis angebotener oder subventionierter US-Waren, einleiten.

Weniger willkommen als früher

Schon heute haben es amerikanische Unternehmen nicht leicht in China. Laut der jährlichen Umfrage zum Geschäftsklima, die die US-Handelskammer am Dienstag vorgestellt hat, fühlen sich drei Viertel von ihnen in der Volksrepublik heute weniger willkommen als früher. Trotz eines verbesserten Investitionsumfelds haben die Firmen im abgelaufenen Jahr daher weniger Geld für Zukunftsprojekte in die Hand genommen.

Fast die Hälfte der US-Unternehmen fühlt sich zudem durch die chinesische Politik ungerecht behandelt. Sorgen machen dabei vor allem plötzliche und widersprüchliche Änderungen. Auch unbeständige Interpretationen von Vorschriften und unklare Gesetze stellen eine große Herausforderung dar. Eine Mehrheit der Unternehmen ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Gefahren für Urheberrechte und durch Datenlecks in China größer sind als anderswo.