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Aufräumen mit Zumas Erbe

Von Klaus Huhold

Politik

Südafrikas neuer Präsident Cyril Ramaphosa muss die Regierungspartei ANC von der Korruption befreien. Sonst droht ein Absturz bei der nächsten Wahl.


Kapstadt/Wien. Über Umwege ist Cyril Ramaphosa an sein Ziel gelangt. "Dass Ramaphosa die Ambition hat, Präsident zu werden, war sein ganzes Erwachsenenleben lang offensichtlich", sagt Anthony Butler, ein Politologieprofessor, der eine Biographie über den 65-Jährigen geschrieben hat. Am Donnerstag war es dann so weit: Das südafrikanische Parlament wählte den aus dem Township Soweto stammenden Juristen zum neuen Präsidenten des Landes. Er werde in Demut der Bevölkerung dienen, sagte das neue Staatsoberhaupt vor den Abgeordneten in Kapstadt.

Ramaphosa war bereits 1999 einer der aussichtsreichen Kandidaten, als es darum ging, einen Nachfolger für Südafrikas Freiheitshelden Nelson Mandela im Präsidentenamt zu finden. Doch der African National Congress (ANC), der Südafrika seit dem Ende der Apartheid durchgehend regiert, entschied sich damals für Thabo Mbeki.

Ramaphosa wurde daraufhin Geschäftsmann. Seine Holding Shanduka erwarb Beteiligungen an Minen, im Mobilfunkgeschäft oder an den südafrikanischen Filialen von McDonald’s. Das Magazin Forbes schätzt Ramaphosas Vermögen auf 450 Millionen Dollar - damit ist er einer von zwei Schwarzen unter den 20 reichsten Südafrikanern. 2014 verkaufte er seine Anteile an Shanduka und kehrte in die Politik zurück.

Dort war er zunächst Vizepräsident unter Staatschef Jacob Zuma. Beim ANC-Parteitag im Dezember wurde Ramaphosa zum neuen Vorsitzenden gewählt. Und nun hat er gemeinsam mit der restlichen Parteispitze Zuma gestürzt und von ihm die Präsidentschaft übernommen.

Gewiefter Taktikerund Liebling der Investoren

Ramaphosa war schon einer der Chefverhandler des ANC beim Übergang vom Apartheid-Regime in eine Demokratie. Auch jetzt wurde er seinem Ruf, ein gewiefter Taktiker zu sein, gerecht. Denn der Fall Zuma war seine erste schwere Prüfung als Parteichef: Zuma war wegen verschiedener Korruptionsaffären schwer beschädigt, weshalb ihn der Großteil der Parteispitze so schnell wie möglich loswerden wollte. Doch der 75-Jährige wollte erst in ein paar Monaten abtreten.

Daher wurde sukzessive der Druck auf Zuma erhöht und gleichzeitig daran gebastelt, diesem einen Abgang in Würde zu ermöglichen. Schließlich trat Zuma Mittwochabend freiwillig zurück. "Der ANC darf nie in meinem Namen gespalten werden", sagte er. Damit hatte die politische Hängepartie ein Ende, und sofort gingen auch die Aktienkurse an Südafrikas Börsen in die Höhe.

Ramaphosa gilt als Hoffnungsträger der Investoren. Er muss zunächst aber die Trümmer hinter Zuma aufräumen. Denn in dessen Präsidentschaft wurde der Staat von korrupten Netzwerken ausgehöhlt. Als Beispiel wird immer wieder der indischstämmige Gupta-Clan genannt. Die mit Zuma befreundeten drei Gupta-Brüder sollen sich bei dubiosen Geschäften mit staatsnahen Betrieben eine goldene Nase verdient haben. Aber auch viele ANC-Mitglieder sahen den Staat als Selbstbedienungsladen an.

Für den Gupta-Clan hat sich bereits der Wind gedreht. In ihrem Anwesen in Johannesburg hat die Polizei eine Razzia durchgeführt. Einer der drei Brüder, Ajay Gupta, gilt nun laut Staatsanwaltschaft als justizflüchtig, nachdem er sich nicht der Polizei gestellt hat.

Fraglich bleibt aber, wie sehr es nun auch hochrangige ANC-Mitglieder treffen wird. Ramaphosa hat zwar die Korruptionsbekämpfung bei seiner Antrittsrede zu einer seiner Prioritäten erklärt. Er muss dabei aber einen Balanceakt vollführen. "Einerseits kann sich Südafrika nur dann von der Korruption befreien, wenn der ANC auch gegen eigene Leute vorgeht", erklärt die Politologin Melanie Müller von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik der "Wiener Zeitung". "Andererseits will Ramaphosa auch die Einheit des ANC bewahren."

Dafür wird er aber wohl auch das Zuma-Lager brauchen. Der gestürzte Präsident hat während seiner Amtszeit ein Netzwerk an Unterstützern um sich geschart. Und genau unter diesen Leuten waren viele, die die Aushöhlung des Staates vorangetrieben haben.

Ramaphosa steht hier nun unter immensen Druck zu handeln. Sollten diese Netzwerke nicht zerschlagen werden und sollte Zuma nicht der Prozess gemacht werden, droht dem ANC ein Absturz an der Wahlurne. Denn der Unmut in der Bevölkerung über die einstige Befreiungsbewegung ist nämlich mittlerweile groß.

Wahlen setzenden ANC unter Druck

2019 stehen die nächsten Wahlen an. Lange Zeit war es für den ANC eine Selbstverständlichkeit, dass nur er Südafrika regiert. Doch bei den letzten Parlamentswahlen hat er erstmals die Zwei-Drittel-Mehrheit eingebüßt, bei den vergangenen Regionalwahlen verlor er einige Hochburgen an die liberale Democratic Alliance.

55 Prozent der Südafrikaner leben unter der Armutsgrenze, und etliche Benachteiligte sind vom ANC enttäuscht. "Viele von ihnen gehen gar nicht mehr zur Wahl, andere haben mit den Economic Freedom Fighters - einer Partei, die um die Armen wirbt - eine politische Alternative gefunden", erklärt Müller. Auf der anderen Seite werde die liberale Democratic Alliance für die schwarze Mittelschicht, der eine saubere Regierungsführung wichtig ist, attraktiver, so Müller. Genau dieser Druck könnte schließlich dafür sorgen, dass der ANC sowohl Reformen in Angriff nimmt als auch seine Einheit bewahrt, erklärt die Südafrika-Expertin.

Ramaphosa wird das Gesicht des ANC bei der Wahl 2019 und bis dahin müsse er sichtbare Erfolge in der Armuts- und Korruptionsbekämpfung vorweisen. Entscheidend wird aber auch sein, wie Ramapahosa mit seiner eigenen Vergangenheit umgeht. Er war zwar nie wegen Korruption angeklagt. Allerdings lastet das Marikana-Massaker aus dem Jahr 2012 auf ihm. Als Aufsichtsrat der Bergbaufirma Lonmin hatte er harte Maßnahmen gegen streikende Arbeiter gefordert, weshalb ihm eine Mitverantwortung für die Erschießung von 34 streikenden Arbeitern der Marikana-Mine durch Polizisten zur Last gelegt worden war. Eine Untersuchungskommission sprach ihn zwar von Schuld für die Toten frei. Trotzdem entschuldigte er sich für sein damaliges Verhalten. "Das war ein wichtiges Signal", sagt Müller. Gleichzeitig wird er aber auch in Zukunft offen mit diesem Thema umgehen müssen. "Das ist gerade für die Arbeiter, unter denen es große Solidarität gibt, sehr wichtig", betont die Forscherin.