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Einigeln und aufrüsten

Von Michael Schmölzer aus München

Politik

Die globale Unsicherheit habe einen beängstigenden Höhepunkt erreicht, heißt es auf der Münchner Sicherheitskonferenz.


München. "An den Abgrund und zurück" heißt das Motto der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. Für Wolfgang Ischinger, den Organisator des Großereignisses, ist die internationale Lage global so instabil wie seit Jahrzehnten nicht. "Demokratie und Freiheit sind im Niedergang", so der Botschafter vor mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, darunter Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, Altkanzler Wolfgang Schüssel und 80 Minister aus aller Welt. "Der Westen ist schwächer als in der Vergangenheit", sagt Ischinger, es gelte nun, "Schritte vom Abgrund weg" zu unternehmen. Dabei müsse Europa auf sich selbst setzen, ein "Europa, das uns schützt".

Dem Bild vom deutsch-französischen Motor gehorchend, wurden die weiteren Eröffnungsreden von der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrer französischen Amtskollegin, Florence Parly, gehalten. Von der Leyen betonte, dass es in Europa mehr Entschlossenheit bräuchte, tatsächlich zu handeln. Diese Handlungsfähigkeit gäbe es im Bereich der EU-Außenpolitik nicht, wo vieles am Prinzip der Einstimmigkeit scheitere.

Kritik gab es an den USA, wo Präsident Donald Trump massiv aufrüsten will, die Mittel für Diplomatie und Entwicklungshilfe aber zusammengestrichen werden. Beide Sphären seien gleich wichtig und müssten in gleicher Weise finanziert werden, so von der Leyen mahnend in Richtung Washington. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an den Erfolg des US-Marshallplans nach 1945.

Frankreichs Verteidigungsministerin Parly forderte ebenfalls eine Stärkung Europas im Verteidigungsbereich: "Wir müssen handeln können, ohne dass uns die USA zu Hilfe eilen."

UN-Generalsekretär Antonio Guterres wies dann in ungewöhnlich klaren Worten auf die trostlose Lage im Nahen Osten hin. Die verschiedenen Konfliktlinien in Syrien und im Jemen etwa seien mittlerweile so verworren, dass die einzelnen Kriege nicht mehr zu lösen seien: "Es herrscht das Chaos." Es fehle in der UNO eine "gemeinsame Vision", etwas, das im Fall Nordkorea durchaus vorhanden sei. Sein persönlicher Albtraum sei ein neuer Krieg Israels mit der Hisbollah, so Guterres. Er schlug eine Art Helsinki-Prozess für den Nahen Osten vor um, analog zu den Zeiten des Kalten Krieges, neue Gesprächskanäle zu öffnen.

Nato mit klarem Atomwaffenbekenntnis

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zufrieden, dass die Verteidigungsausgaben des Bündnisses seit drei Jahren angestiegen seien. Das Ziel sei, zwei Prozent des jeweiligen nationalen Bruttosozialproduktes der Verteidigung zu widmen. Die EU könne sich nicht selbst verteidigen, stellte Stoltenberg fest, die Nato-Länder, die nicht bei der EU sind, seien hier wichtig.

Vor allem nach dem Austritt der Militärmacht Großbritannien aus der EU. Die neue europäische Verteidigung müsse in den Nato-Strukturen verankert werden. Zudem sehe man mit Besorgnis, dass Russland seine nuklearen Arsenale modernisiere. Die Nato rufe Moskau auf, die geschlossenen Abrüstungsverträge zu beachten. Auch Nordkorea gebe Anlass zur Sorge. Der Druck auf Pjöngjang, von seinem Nuklearprogramm zu lassen, müsse maximiert werden.

Die Nato sei prinzipiell für eine Welt ohne Atomwaffen, doch solange es Atomwaffen gebe, würde eine Nato ohne nukleare Arsenale die Welt nicht sicherer machen, so Stoltenberg.

Bundeswehrsoldaten in der Münchner Innenstadt

Unterdessen gleicht die Münchner Innenstadt einer Hochsicherheitszone. Polizisten aus ganz Deutschland sind im Einsatz, auch die Bundeswehr rückt an - mehr als 200 Soldaten -, um zu assistieren. Es geht darum, Terroranschläge verhindern. Aber auch darum, Demonstranten in Schach zu halten, die sich bei nasskaltem Wetter versammeln.

"Killerroboter" und menschliche Verantwortung

20 Bündnisse trommeln gegen das Ereignis, zeitgleich zur Sicherheitskonferenz findet im Alten Rathaus, 650 Meter vom "Bayerischen Hof" entfernt, eine Friedenskonferenz mit Beiträgen wie "Kommt endlich zur Vernunft! Die Friedensbotschaft von Michail Gorbatschow" statt. Bei der deutschen Linken gilt das Großereignis im Nobelhotel als "Kriegskonferenz".

Ein Eindruck, der angesichts der vielen Uniformierten und der Fachzeitschriften über die neuesten Errungenschaften der Waffentechnik nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.

Friedensappelle gab es aber auch im Rahmen der Sicherheitskonferenz selbst.

Eines der Hauptthemen bei den Diskussionen ist die Entwicklung von Kampfrobotern und die Gefahren, die von ihnen ausgehen. Unter dem Titel "Künstliche Intelligenz und moderne Konflikte" wird über autonom entscheidende Waffensystem debattiert - wie sie seit Jahren in den USA, aber auch in asiatischen Ländern und in Europa entwickelt werden. Militärs weisen darauf hin, dass derartige Systeme enorm effizient sind und den Einsatz "lebender" Soldaten überflüssig machen.

Dem widerspricht die Aktivistin Mary Wareham entschieden: Sie ist Koordinatorin einer Initiative, die weltweit ein Verbot derartiger "Killer-Roboter" durchsetzen will. Die Unterstützung von 22 Ländern hätte sie schon, berichtete sie. Es sei enorm wichtig, dass Menschen und nicht Maschinen Waffensysteme kontrollierten. Außerdem müsse die Öffentlichkeit darüber informiert werden, wie weit die Entwicklung autonomer Systeme bereits gediehen sei.

Die geht rasant vonstatten und hat beängstigende Dimensionen angenommen: So gibt es bereits Drohnen, die ohne menschliches Zutun in Schwärmen agieren. Noch sind diese Gruppen auf einige hundert Drohnen limitiert. Militärexperten glauben aber, dass es in den nächsten zehn Jahren Schwärme geben könnte, die Millionen Kleinmaschinen in der Größe von Insekten umfassen. Ein Szenario, das an biblisches Unheil erinnert. Da ist es nur ein geringer Trost, wenn der deutsche Generalleutnant Ludwig Leinthos am Rande der Sicherheitskonferenz versichert, dass die Bundeswehr nicht die Absicht habe, derartige Waffen anzuschaffen.

Was die Konferenz massiv beschäftigt, ist die Gefahr, die von Cyberattacken ausgeht. Abseits von mit Atomsprengköpfen bestückbare Raketen ist die Cyberwaffe etwa die einzige Möglichkeit Pjöngjangs, entwickelten Ländern gefährlich zu werden und deren Infrastruktur auszuschalten. UN-Generalsekretär Guterres schlug in München die Schaffung eines neuen rechtlichen Rahmens vor, um der Gefahr wirksam begegnen zu können.