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Türkische Armee beschießt Assad-Verbündete bei Afrin

Von Michael Schmölzer

Politik

Syrische Milizen kommen Kurden zu Hilfe. Türkei verstrickt sich tiefer in den Krieg.


Damaskus/Afrin/Wien. Einheiten des syrischen Regimes sind am Dienstag militärisch mit der türkischen Armee in Konflikt gekommen. 300 bis 400 Milizionäre der Hisbollah, die Seite an Seite mit der syrischen Armee kämpfen, sind im Konvoi in die kurdische Stadt Afrin einmarschiert. Nach türkischem Artilleriebeschuss zogen sich die Kräfte wieder zurück. Terroristen würden für ihre "Fehler" einen "hohen Preis" bezahlen, so der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Kurden haben in Damaskus zuvor um Hilfe angefragt, um die türkische Armee bekämpfen zu können. Das syrische Regime hat das Eindringen der Türkei in den Norden zuvor als feindlichen Akt verurteilt.

Sofort nach dem Einmarsch der Milizionäre begann die Türkei damit, die Region Afrin zu bombardieren. Zuvor hatte Erdogan angekündigt, man werde die Stadt Afrin belagern.

Damit ist im syrischen Krieg eine neue, brandgefährliche Front entstanden. Am Montag hatte es noch so ausgesehen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nach einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen die Entsendung von Streitkräften des syrischen Regimes gestoppt hat. Erdogan war offenbar überzeugt, dass er nun freie Hand hat - ein Irrtum. Russland ist der wichtigste Verbündete der syrischen Regierung in Damaskus, Einfluss auf die Hisbollah-Kämpfer hat er aber nicht.

Die Türkei führt seit Wochen in der nördlichen Grenzregion Afrin Krieg gegen die YPG, bis jetzt mit mäßigem Erfolg. Es handle sich um Terroristen, die die türkische PKK unterstützen würden und gegen die man sich zu Recht zur Wehr setze, so der Standpunkt der Türkei. Ein Krieg mit dem syrischen Regime lag in der Luft. Am Montag hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gewarnt: "Wenn das Regime eindringt, um die YPG zu schützen oder ihren Schutz zu gewährleisten, dann kann niemand uns, die Türkei und die türkischen Soldaten stoppen."

Mehr als 230 Tote

Ankara nimmt also einen Krieg gegen Regimekräfte in Kauf, damit würde man Russland und dem Iran in die Quere kommen, die beide Truppen im Land haben, die an der Seite des syrischen Regimes kämpfen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte war der Ansicht, dass es bei dem Milizionäre-Kommando um eine Vorhut handle. Schwere Waffen waren zunächst nicht dabei.

Die Türkei hat umgehend reagiert und die Region Afrin mit Kampfjets bombardiert. Die Türken, die mit Panzern, darunter deutschen und schweren Waffen einmarschiert sind, geraten im Norden Syriens auch in Konflikt mit den USA. Die haben Soldaten in der kurdischen Stadt Manbidsch stationiert; gemeinsam mit den Kurden hat man hier den Islamischen Staat bekämpft. Der ist nun besiegt. Das Eingreifen des Regimes ist für die Kurden selbst nicht unproblematisch, die einen eigenen Staat in Nordsyrien wollen. Machthaber Bashar al-Assad erhebt Anspruch auf das gesamte syrische Staatsgebiet, jetzt bekommt Damaskus einen Fuß in die Tür, ein autonomes Kurdistan ist in Gefahr. Bis dato haben Kurden und die syrische Armee Zusammenstöße weitgehend - aber nicht völlig - vermeiden können.

Unterdessen sind bei Angriffen auf Ost-Ghuta nahe Damaskus in den letzten beiden Tagen mindestens 231 Zivilisten, auch Frauen und Kinder, getötet worden. Viele flohen in ihre Keller. Die syrische Armee bereitet eine Offensive vor, um das Rebellen-Gebiet zu erobern.