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Enthüllt am Video-Screen

Von Wolfgang Liu Kuhn

Politik
Prominenter Gast am Videoscreen: Assange.
© Johanna Lamprecht

Mit einer Live-Zuschaltung von Julian Assange wurde in Graz das Elevate-Festival eröffnet. Seine Botschaft war düster-pessimistisch.


Graz. Wenn junge Radfahrer mit hochgesteckten Frisuren ohne Licht bei schneeglatter Fahrbahn Richtung Orpheum fahren, kann das eigentlich nur eines bedeuten: Das Elevate Festival ist wieder in Graz. Das "Festival für zeitgenössische Musik, Kunst und politischen Diskurs" ist seit 2005 eine Institution in der inoffiziellen Hipster-Hauptstadt Österreichs. Passend zum diesjährigen Motto "Risiko und Courage" gelang den beiden Organisatoren Bernhard Steirer und Daniel Erlacher mit der Verpflichtung von Julian Assange als Eröffnungsredner ein medienwirksamer Coup. Dass der Wikileaks-Gründer selbst bei der eigenen Klientel nicht unumstrittenen ist, verteidigten die Festival-Macher mit dem Hinweis, dass der Australier für seinen Mut mit dem Leben bedroht wird.

Um diese Aussage zu unterstreichen, wurde vor der Video-Zuschaltung ein von Assange produziertes Video gezeigt, in dem sich diverse US-Politiker mehr oder weniger direkt seinen Tod wünschen. Er selbst freute sich über die Collage mit der düsteren Musik ("Habe ich selbst gemacht!") wie ein kleines Kind, nachdem er das Publikum mit den Worten "I can hear you, Austria" begrüßt hatte. Kleine Freuden in einem sonst düsteren Alltag - seit knapp sechs Jahren sitzt Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London fest, sein Lebensumfeld beschränkt sich auf einen 20 Quadratmeter großen Raum ohne direkte Sonneneinwirkung. Das Exil hat den 46-Jährigen nicht nur optisch verändert - der Vollbart lässt ihn älter wirken, im Live-Stream wirkte er abgekämpft und müde, in seinen Antworten und Botschaften mitunter zerfahren und unkonzentriert.

Dennoch sprach Assange dem Publikum - der Andrang war riesig - in seinem Eröffnungsstatement zunächst Mut zu. "Wer ist denn jemals wegen der Arbeit für Wikileaks verhaftet wurden? Nur einer, nämlich ich, und das auch nur für zehn Tage", forderte er potenzielle Whistleblower zu mehr Courage auf.

Kurzer Zweifel an eigenem Tun

An dieser Stelle gab es einen kurzen Zwischenapplaus seiner engsten Vertrauten Sarah Harrison, die persönlich zur Elevate-Eröffnung kam und ihr Buch "Women, Whistleblowing, WikiLeaks" vorstellte. Mit ihrer Co-Autorin Renata Avila hielt auch sie ein Plädoyer für öffentliche Enthüllungen.

Assange betonte, man brauche nicht viel Mut, um etwas Mutiges zu tun. Im Gegensatz zu Ländern wie Syrien oder dem Irak werde in westlichen Staaten, die keinem Krieg ausgesetzt sind, die Angst künstlich erzeugt: "Es ist unsere Pflicht, durch die Illusion der Angst zu schauen, die nur dazu dient, das System am Laufen zu halten."

Bei der anschließenden Diskussionsrunde, bei der einige vorbereitete Fragen gestellt wurden, gab sich der Wikileaks-Gründer zunehmend düsterer und pessimistischer. So könne er nicht beantworten, ob sich seine Arbeit überhaupt ausgezahlt habe: Rein persönlich sei sie zwar befriedigend gewesen, da er Konflikte als intellektuell stimulierend empfinde, doch er habe auch viele menschliche Enttäuschungen erlebt. Über das Endergebnis und deren Auswirkungen sei er sich bis heute nicht völlig im Klaren. Diesen Anflug von Selbstzweifel korrigierte Assange wenig später, indem er die Arbeit von Wikileaks als "makellos, fehlerlos und vollständig akkurat" bezeichnete.

Diskussionen um Auftritt

Der Auftritt von Assange hatte beim Elevate-Publikum im Vorfeld für Diskussionen gesorgt, da Kritiker in einigen seiner Tweets antifeministische und antisemitische Tendenzen erkannt haben wollen. Zudem soll Wikileaks selektiv Dokumente veröffentlicht und somit die Agenda Russlands im US-Wahlkampf vorangetrieben haben. Nachgesagt wird Assange auch ein zu sorgloser Umgang mit Daten, die Leib und Leben der betroffenen Personen gefährden können. Diese Vorwürfe bezeichnete Assange in Graz wiederholt als "Nonsense", ohne jedoch direkt auf sie einzugehen.

Den umstrittenen US-Präsidenten Donald Trump stufte er als "gezähmt" ein, die größere Gefahr seien Konzerne wie Facebook und Google (die "Könige der Informationswelt") oder Geheimdienste wie die CIA, die mit Angst "ihr Gift versprühen". Abschließend warnte er noch vor dem "Ende der menschlichen Politik" durch die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Saal jedoch schon sichtbar geleert. Als Inbegriff des Hipstertums nahmen einige noch ein Souvenir mit - ein Selfie mit der Videoprojektion von Julian Assange im Hintergrund.