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Zwei Erzfeinde nähern sich plötzlich an

Von Klaus Huhold

Politik

US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vereinbaren ein historisches Treffen - das auch ein großes Risiko birgt.


Washington/Pjöngjang/Wien. Selten hat es in der internationalen Politik eine derartige Kehrtwende gegeben: Vor ein paar Wochen noch hatten die USA und Nordkorea einander die Vernichtung angedroht, verspottete US-Präsident Donald Trump Nordkoreas Führer Kim Jong-un als "kleinen Raketenmann", während Kim wiederum Trump als "geisteskranken, dementen US-Greis" bezeichnete.

Nun wollen die beiden Staatschefs einander plötzlich treffen. Trump hat eine entsprechende Einladung von Kim, die der südkoreanische Sondergesandte Chung Eui-yong überbracht hatte, angenommen. Bereits im Mai sollen sich die beiden Oberbefehlshaber ihrer - atomar aufgerüsteten - Streitkräfte begegnen. Die historische Zusammenkunft, die die erste zwischen einem nordkoreanischen Staatschef und einem amtierenden US-Präsidenten wäre, wurde auch international, etwa von der EU, China und Russland, begrüßt. Denn damit entspannt sich vorerst einer der gefährlichsten geopolitischen Konflikte.

Kim hatte sich bereits zuvor mit einer südkoreanischen Delegation getroffen, dabei ein Treffen mit Südkoreas Staatschef Moon Jae-in vereinbart und weitreichende Zugeständnisse gemacht: Dass er nämlich zu einer Denuklearisierung, sprich zu einem Verzicht auf seine Atomwaffen, bereit sei. Gleichzeitig verlangte er Sicherheitsgarantien für sein Land.

Warum nicht reden?

Was Kim dazu angetrieben hat, darüber spekulieren nun Diplomaten und Politologen: Manche vermuten, dass ihn Trumps Drohungen eines Militärschlags tatsächlich beeindruckt haben - denn Kim weiß, dass er einen Krieg gegen die USA nie gewinnen könne. Zudem hätten die internationalen Sanktionen Wirkung gezeigt. Nordkorea sei wirtschaftlich ausgeblutet, und mittlerweile würden dem international isolierten Staat auch das Geld und die Mittel ausgehen, um sein Atom- und Raketenprogramm weiterzuentwickeln.

Eine andere Theorie geht genau in die andere Richtung: Demnach habe Nordkorea bei seinem Waffenprogramm - laut Nordkoreas Angaben können seine Langstreckenraketen bereits die US-Westküste erreichen - derartige Fortschritte erzielt, dass es sich nun sicher genug ist, mit den USA in Verhandlungen zu treten.

Jedenfalls bedeuten die direkten Verhandlungen eine Aufwertung Nordkoreas, die sich die Diktatur schon lange gewünscht hat. Zudem erkennen die USA den ostasiatischen Paria-Staat durch die Hintertür als Atommacht an, sobald sie mit ihm über atomare Abrüstung verhandeln.

Trump scheint aber flexibel genug, das in Kauf zu nehmen. Schon im Wahlkampf hatte er angekündigt, dass er Kim auf einen Hamburger treffen wolle, um einen Deal mit ihm zu schließen. "Was zur Hölle ist falsch daran,, miteinander zu sprechen", sagte er damals. Nun hieß es aus dem Weißen Haus, dass der US-Präsident die Einladung angenommen habe, weil Kim der Einzige sei, der in dem totalitären Staat Entscheidungen treffen könne.

Sanktionen bleiben aufrecht

Gleichzeitig betonen die USA, dass die Sanktionen aufrecht bleiben und sie sich mit nichts weniger als einer vollkommen Denuklearisierung Nordkoreas zufriedengeben würden.

Doch hier sind große Zweifel angebracht, ob Nordkorea tatsächlich zu einer atomaren Abrüstung bereit ist - oder ob Kim dieses Ansinnen nur als Köder ausgeworfen hat, damit es zu Gesprächen kommt.

Denn der Verzicht auf Atomwaffen würde vollkommen der bisherigen Logik des nordkoreanischen Regimes widersprechen. Die nordkoreanischen Staatsmedien machen kein Geheimnis daraus, warum das Regime derart auf atomare Aufrüstung setzt: Sie verweisen auf Beispiele wie das von Muammar al-Gaddafi. Der frühere libysche Diktator hat auf Druck der USA und Großbritanniens die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beendet. Später wurde er dann mithilfe des Westens gestürzt. Das nordkoreanische Regime sieht also seine Atomwaffen als Überlebensgarantie an.

Deshalb ist es gut möglich, dass Nordkorea für eine atomare Abrüstung Bedingungen stellt, die die USA auf keinen Fall erfüllen wollen. In der Vergangenheit hat das Regime in Pjöngjang etwa gefordert, dass alle Seiten in dem Konflikt abrüsten müssen, oder auch, dass die USA ihre Soldaten nicht nur aus Südkorea, sondern auch aus Japan abziehen sollen.

Für den Verlauf der Gespräche wird es daher wohl entscheidend sein, inwieweit die USA auf ihrer Maximalforderung, dass Nordkorea sämtliche Atomwaffen aufgibt, beharren werden. Vielleicht geben sie sich im Laufe der Zeit auch mit weniger zufrieden, etwa damit, dass Nordkorea sein Atomprogramm einfriert und Inspektoren in sein Land lässt - wofür es dann wohl wirtschaftlich belohnt werden würde. Auch solch ein Ergebnis könnte Trump noch als Erfolge verkaufen, würde es doch die Lage auf der koreanischen Halbinsel beruhigen.

Warnung eines US-Senators

Internationale Experten sind jedenfalls überzeugt, dass sich Nordkorea nur dann darauf einlässt, von seinem Atomprogramm abzusehen, wenn internationale Garantiemächte dafür geradestehen, dass es nicht angegriffen wird. In Frage kommt dabei vor allem China, das ohnehin jetzt bereits über eine Beistandspflicht mit Nordkorea verwoben ist.

Pessimisten meinen aber, dass Nordkorea ohnehin viel zu misstrauisch - sowohl gegenüber den USA als auch China - ist, als dass es sich auf so einen Deal einlassen würde. Es bestehen daher große Befürchtungen, dass Pjöngjangs plötzliches Entgegenkommen ein Täuschungsmanöver ist, das Regime nur Zeit gewinnen will, um weiter aufzurüsten.

Deshalb bergen die Gespräche zwischen Trump und Kim auch ein großes Risiko. Sollten sie nämlich scheitern, wird die Option Militärschlag noch stärker als in der Vergangenheit in Betracht gezogen werden. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham warnte die Nordkoreaner bereits: "Das Schlimmste, was Sie tun könnten, wäre der Versuch, mit Präsident Trump bei einem Treffen ein Spielchen zu treiben. Wenn Sie das tun, wird es Ihr Ende sein - und das Ende ihres Regimes", schrieb er auf Twitter.