Unterdessen berichteten Helfer nach dem Einmarsch türkischer Truppen und ihrer Verbündeten in das Kurdengebiet Afrin im Nordwesten Syriens von einer dramatischen humanitären Lage. Besonders stark betroffen sind Kinder, Frauen und Ältere. Tausende seien in den vergangenen Tagen "verzweifelt und in Panik" aus Afrin geflohen, twitterte der Regionaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Robert Mardini, am Dienstag. Sie hätten keine Unterkunft sowie kaum Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung. Die UNO meldete, rund 100.000 Menschen seien in der Region bereits seit längerem auf der Flucht. Bis zu 50.000 weitere seien in den vergangenen Tagen hinzugekommen.

Die türkischen Streitkräfte und syrische Verbündete hatten die vor allem von Kurden bewohnte Region Afrin und die gleichnamige Stadt im Nordwesten Syriens am Sonntag nach zweimonatigen Kämpfen erobert. Die türkische Regierung stuft die Kurdenmiliz YPG wegen ihrer Verbindungen zur PKK als Terrororganisation ein und bekämpft sie.

Bei den meisten Vertriebenen aus Afrin handle es sich um Frauen, Kinder und Ältere, teilte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) mit. Es gebe besorgniserregende Berichte über Gewaltandrohungen, willkürliche Festnahmen von Zivilisten sowie Plünderungen. Das UNHCR erklärte, Menschen hätten berichtet, sie seien auf der Flucht über viele Stunden durch die Berge gegangen. Schulen und Moscheen seien völlig mit Vertriebenen überfüllt.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sowie Kurdenvertreter hatten am Montag über Plünderungen protürkischer Rebellen in Afrin berichtet. Fotos davon kursieren in den Sozialen Medien. Der türkische Außenminister, Mevlüt Cavusoglu, schloss eine Beteiligung von Soldaten seines Landes aus. Auch der verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) traue er ein solches Verhalten nicht zu. "Wenn es von dort eine Beschwerde oder Aufforderung geben sollte, werden wir das penibel untersuchen, da sind wir empfindlich", sagte er.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) brauchen 100.000 Menschen aus Afrin dringend Hilfe, die Hälfte davon Kinder. Das IKRK meldete am Dienstag, ein Hilfskonvoi habe den von Kurden kontrollierten Ort Tal Rifat erreicht. Dort haben nach UNO-Angaben mindestens 75.000 Vertriebene aus Afrin Zuflucht gefunden.

Die Türkei wies Kritik des IKRK scharf zurück. Äußerungen des IKRK-Präsidenten Peter Maurer seien "fern von der Wahrheit und inakzeptabel", teilte das Außenministerium mit. Maurer hatte mehr Zugang für internationale unabhängige Organisationen gefordert. In diesem Zusammenhang kritisierte er den türkischen Roten Halbmond und sagte, die Glaubwürdigkeit der Aussage, dass dieser mit der kurdischen Bevölkerung in Afrin zusammenarbeite, sei "nahezu null".