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"Information als Waffe im Cyberkrieg"

Von Thomas Seifert

Politik

Alexander Klimburg plädiert für einen Ausgleich der Interessen der Wirtschaft, der Datenschützer und Konsumenten.


"Wiener Zeitung": Welche Lehren ziehen Sie aus der sogenannten Cambridge Analytica/Facebook-Affäre - es ist bekannt geworden, dass die Firma Cambridge Analytica Daten von rund 50 Millionen Facebook-Usern abgeschöpft hat?

Alexander Klimburg: Für mich steht fest, dass man die Datenschutzregeln neu konzipieren muss. Wobei ich nicht im Camp jener super-strikten Datenschützer bin, die der Überzeugung sind, dass man Datenströme möglichst streng kontrollieren und regulieren muss. Denn das hätte zur Folge, dass man in Zukunft für Facebook, Twitter, Google und viele Gratis-Services bezahlen muss. Gleichzeitig bin ich aber auch nicht der Meinung, dass alle Daten völlig frei verfügbar sein sollen, so wie das einige in Silicon Valley gerne hätten.

Wird die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, die am 25. Mai in Kraft tritt, Verbesserungen bringen?

Ja, natürlich. Aber nichts im Leben ist perfekt: Denn es wird etwa betont, dass diese Verordnung dem Benutzer mehr Kontrolle über seine Daten gibt. Gleichzeitig ist es für den Benutzer aber sehr schwierig, das Sammeln und die Verwertung dieser Daten zu kontrollieren. Da sind einige Experten der Meinung, dass diese Datenschutz-Grundverordnung in diesen Bereichen immer noch nicht weit genug geht. Zudem gibt es eine Reihe problematischer Aspekte: Zum einen wird es in Zukunft schwieriger sein, nachzusehen, wer hinter einer bestimmten Website steckt. Gleichzeitig, darauf hat etwa Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos hingewiesen, könnte nach einer Interpretation der EU-Datenschutz-Grundverordnung verlangt werden, dass Unternehmen wie Google oder Facebook gewisse Algorithmen offenlegen. Wenn man das aber tut, dann würde man etwa der Internet Research Agency in St. Petersburg enthüllen, auf welchem Weg man dahinter gekommen ist, dass diese russische Stelle etwa Facebook-Dienstleistungen missbraucht hat. Das käme, so Stamos, einer einseitigen Abrüstung im Cyber-Bereich gleich.

Was kann die EU eigentlich unternehmen? Im IT-Bereich sind die Europäer ja abgeschlagen.

Man sollte die Möglichkeiten der EU nicht unterschätzen, die Union ist ein enorm wichtiger Markt. Interessant ist, dass Facebook ja stets Konflikte mit der EU vermeiden wollte - anders als etwa Microsoft in den 1990er Jahren oder Google vor ein paar Jahren. Wir müssen uns freilich auch die Frage stellen, warum es in den USA so viel mehr Internet-Start-ups gibt als in Europa. Ich würde mir wünschen, dass wir uns nicht nur um die Regulierung der Konsumsseite kümmern, sondern auch einen Innovationsansatz verfolgen. Es muss einen Mittelweg zwischen drei Interessen - jenen der Wirtschaft, der Datenschützer und der Konsumenten geben.

Inwiefern beeinflusst die Diskussion der vergangenen Tage um das Cambridge-Analytica-Facebook-Datenleck und die möglichen Bezüge zu Wladimir Putins Russland die Debatten der Cybersecurity-Experten?

Grundsätzlich ist eines interessant: Im Westen sind die meisten Expertinnen und Experten der Auffassung, dass Cybersecurity vor allem eine technische Herausforderung ist. Das schlimmste vorstellbare Armageddon wäre demnach ein Cyberkrieg. Cyberkrieg bedeutet, dass die Lichter ausgehen und die Kommunikationsnetze zusammenbrechen. In einem zweiten Szenario steht nicht der technische Aspekt der Cyberkriegsführung im Mittelpunkt, sondern der psychologische. Da geht es um Informationskrieg mit dem Ziel Regime-Wechsel. Dieser Aspekt beschäftigt vor allem jene Staaten, die nicht als liberale Demokratien zu bezeichnen sind. Die Regierungen von Ländern wie Russland oder China wollen - wenn es um die Frage Cyberwar geht - über Internet Content reden. Russland und China sehen Information selbst als Waffe. Diesen Aspekt haben wir im Westen unterbewertet.

Inwiefern?

Macht hat drei Gesichter. Erstens: Compulsion und Coercion. Auf gut Deutsch: Du machst jetzt dieses oder jenes oder es knallt! Zweitens: Agenda-Setting. Da geht es darum, zu bestimmen, über welche Themen diskutiert wird. Und drittens: Preference Shaping, also Bedürfnisformung. Da geht es um Begriffe wie kulturellen Hegemonie, oder um die Diskussion, wie wichtig Menschenrechte sind oder ob die Demokratie eine gute Regierungsform ist. Was wir sehen, ist, dass die Propagandastrategien darauf abzielen, die Glaubwürdigkeit von Institutionen zu untergraben, dass am Ende sich die Menschen denken: Vielleicht stimmt ja gar nichts von all dem, was die Medien produzieren. Dieser Ansatz führt dann zu einem total moralischen und sachlichen Relativismus und in so einer Realität kann man dann natürlich alles machen, weil dann gibt es keine Regeln mehr. Einem Staat wie Russland, der sich durch Regeln eingeengt sieht, passt eine derartige unschöne neue Welt aber ganz gut.

Alexander Klimburg

ist Direktor des Hague Center for Strategic Studies für Cyber-Politik und Mitarbeiter am österreichischen Institut für Internationale Politik. Zuletzt erschien sein Buch: "The darkening web", Penguin Press, 12,99 Euro