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"Wie Terroristen behandeln"

Von Michael Schmölzer

Politik

Türkei droht Franzosen, die Kurdenmilizen in Syrien militärisch unterstützen, nicht zu schonen.


Paris/Istanbul/Wien. Frankreich will kurdische Milizen in Nordsyrien militärisch unterstützen und gerät damit in Konflikt mit der Türkei: Präsident Emmanuel Macron traf Vertreter der Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF), die gegen den "Islamischen Staat" (IS) zu Felde ziehen. Die Hochburgen der radikalen Islamisten sind zwar gefallen, die Extremisten haben sich ins Hinterland zurückgezogen und gelten als besiegt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich der IS neu formiert, wieder in die Offensive geht und erneut Territorium dauerhaft besetzt. Genau das will Frankreich mit Präventivmaßnahmen verhindern, wie der Politologe Hakan Akbulut vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bestätigt.

Die französische Präsidentschaftskanzlei teilte mit, dass Macron den kurdischen Einheiten Unterstützung bei der Stabilisierung der Sicherheitszone im Nordosten Syriens zugesagt habe. Kurden-Vertreter sprachen sogar davon, dass Frankreich Soldaten in die Region - auch in das noch von Kurden kontrollierte Manbidsch - schicken wolle. Das wurde von Frankreich nicht bestätigt. Man plane "keine neuen Militäroperationen" in Nordsyrien, so das Elysee. Allerdings wolle man zwischen Kurden und Türkei vermitteln.

Zu den Kräften, die Frankreich nun unterstützen will, gehören vor allem kurdische Kämpfer der YPG. Für Ankara kommt das einem Schlag ins Gesicht gleich. Hier gilt die YPG als Ableger der PKK und damit als terroristisch. Die türkische Armee führt derzeit mithilfe syrischer Verbündeter einen Feldzug gegen die YPG in der nordsyrischen Provinz Afrin. Verhandeln will man in Ankara mit den Kurden nicht - auch, wenn Frankreich darauf hinweist, dass sich die SDF von der PKK distanziert habe.

Für den OIIP-Experten Akbulut ist erwiesen, dass YPG und SDF "sehr wohl Teil der PKK" sind. Die SDF sei vor einigen Jahren mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, die Zusammenarbeit mit der PKK zu kaschieren. Die kurdischen Kräfte in Syrien seien in gewissem Maße autonom, "die strategischen Entscheidungen werden aber von der PKK getroffen", so Akbulut.

Auch die USA sähen sich zur Kooperation mit der YPG veranlasst, um ihre Zielsetzungen in Syrien zu erreichen. "Die USA brauchen die YPG, wenn sie in Syrien noch irgendeine Rollen spielen wollen", so der Politologe. Den Franzosen sei klar, dass YPG und PKK zusammenarbeiteten, sagt Akbulut. Der Westen und die Türkei hätten aber "völlig verschiedene" politische Prioritäten: "Für den Westen ist es die Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates, für die Türkei die PKK."

Ankara will unbedingt verhindern, dass sich ein zusammenhängendes kurdisches Einflussgebiet vom Irak über Syrien bis in die Türkei bildet und hat einen militärischen Einsatz in Richtung der syrischen Kurdenhochburg Manbidsch angedroht. Die Türkei hat gedroht, die dort stationierten US-Soldaten nicht verschonen zu wollen. Das gilt auch für Frankreich: Diejenigen, die mit Terrorgruppen gegen die Türkei zusammenarbeiteten und Solidarität zeigten, würden "wie die Terroristen ein Ziel der Türkei werden", so der türkische Vizeministerpräsident Bekir Bozdag.

Suche nach "Modus Vivendi"

Dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen der türkischen Armee und westlichen Truppen kommt, hält Akbulut "für extrem unwahrscheinlich". Washington und Ankara hätten zuletzt Arbeitsgruppen eingerichtet, "um einen Modus Vivendi" zu finden. Die Kohärenz der Nato leide zwar unter dem türkisch-amerikanisch-französischen Konflikt, Akbulut verweist aber darauf, dass es derartige Interessenskonflikte innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses schon zu Zeiten des Kalten Krieges gegeben habe. Etwa im türkisch-griechischen Konflikt um Zypern. "Man hat immer versucht, diese Konflikte einzudämmen", so Akbulut. "Es gibt genug gemeinsame Interessen, sodass man es nicht zu einem Bruch kommen lässt."

Für den Experten ist es wahrscheinlich, dass die Türkei künftig versuchen wird, durch vorgeschobene Posten den Schutz der eigenen Grenze auf syrisches Territorium auszulagern. Es gehe darum, die Verbindung aus Syrien und dem Irak in die Türkei und die dortige PKK dauerhaft zu unterbinden. "Die Türkei wird das mit allen Mitteln versuchen."

Unterdessen lässt US-Präsident Donald Trump damit aufhorchen, dass er den Militäreinsatz in Syrien rasch beenden will. "Wir werden sehr bald abziehen", so Trump vor Industriearbeitern. Schon bald seien "hundert Prozent" der Gebiete aus den Händen des IS zurückerobert. Mit dem US-Außenministerium hat Trump seine Pläne nicht abgestimmt.