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Eine Frage der Loyalität

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Abrechnung: Ex-FBI-Chef James Comey hat ein Buch über seine Karriere geschrieben, die durch Präsident Donald Trump ein jähes Ende fand.


Washington D. C. Ob es für die von Pornostar Stephanie Clifford aka Stormy Daniels gesetzte Rekord-Einschaltquote von 22 Millionen reicht, ist noch nicht sicher; aber Sorgen um mangelndes Interesse muss sich ABC trotzdem keine machen.

Am Sonntagabend um zehn Uhr New Yorker Ortszeit wird der Sender ein Mitte der Woche aufgezeichnetes Interview seines Starmoderators George Stephanopolous mit Ex-FBI-Chef James Comey ausstrahlen. Der 57-Jährige hat ein Buch über seine Karriere geschrieben, der US-Präsident Donald Trump Anfang Mai vergangenen Jahres ein jähes Ende setzte.

Damals hatte Trump den seit 2013 amtierenden Chef der Bundespolizei aus scheinbar heiterem Himmel und unter fragwürdigen Umständen entlassen. Kurz darauf nannte der Präsident Trump Comey gegenüber dem russischen Außenminister Sergej Lawrow einen "Bekloppten", den er sich "Gottseidank vom Hals geschafft habe."

Offiziell erscheint "A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership" erst kommende Woche, aber die US-Sachbuch-Bestsellerlisten führt es trotzdem jetzt schon an.

Gestus eines"Mafia-Bosses"

Laut ausgewählten Printmedien, die mit Vorabexemplaren bedacht wurden, geht Comey darin mit dem Präsidenten auf eine Art und Weise ins Gericht, die keine Unzweideutigkeiten zulässt. Laut dem Karriere-Bürokraten, der bis zu seiner Berufung zum obersten Gesetzesvollstrecker des Landes unter anderem als stellvertretender Bundesstaatsanwalt (unter George W. Bush) arbeitete, pflege Trump den Gestus eines "Mafia-Bosses", der für Recht und Gesetz wenig über habe, mit der Wahrheit auf permanentem Kriegsfuß stehe und sich während all dem mit ihm hündisch ergebenen Sykophanten umgebe. Zudem plage Trump die Angst vor seiner Frau.

Untersuchung in Sachen"Goldene Dusche"

Comey in "A Higher Loyalty" wörtlich: "In seinen Gesprächen mit mir brachte er mehrmals das Thema ,Goldene Dusche‘ auf. Er war besorgt, dass auch nur eine Ein-Prozent-Chance darauf bestehe, dass seine Frau die Geschichte glaube und bat mich um eine Untersuchung." Hintergrund: Bereits vor Trumps Amtsantritt hielt sich das Gerücht, dass der Kreml im Besitz eines Videos sei, dass Trump während eines Moskau-Aufenthalts 2013 mit Prostituierten zeige, die auf sein Geheiß hin auf das Bett einer Hotelsuite urinieren.

In die Welt gesetzt hatte es der britische Ex-MI6-Agent Christopher Steele, dessen Dossier über die kolportierten Verbindungen Russlands zu Trumps Wahlkampfkampagne bis heute Wellen schlägt. Während Comey derlei Anekdoten in "A Higher Loyalty" genüsslich ausbreitet, bleibt er indes handfestes schuldig - wohlgemerkt unter dem Verweis, dass er, was bestimmte Sachverhalte angehe, der Verschwiegenheitspflicht unterworfen sei und die Untersuchung der Trump’schen Praktiken durch den Special Counsel (und langjährigen Comey-Mentor) Robert Mueller nach wie vor im Gange sei.

Während Comey auf bemerkenswerte Weise mit Trumps Charakter abrechnet, verteidigt er sich vehement gegen einen Vorwurf, den er sich bis heute gefallen lassen muss: dass er selbst Mitschuld daran trage, dass der 71-jährige Ex-Reality-TV-Star überhaupt im Amt ist. Während Comey während des Wahlkampfs die Öffentlichkeit permanent über den Stand der Ermittlungen zu Hillary Clintons privatem E-Mail-Server auf dem laufenden hielt, verlor er zu den gleichzeitig von seiner Behörde geführten Untersuchungen zu Trumps Russland-Verbindungen kein Wort.

Seine Begründung: Er habe angesichts der Umfragen "nie damit gerechnet, dass Trump tatsächlich gewinnen könnte" und wollte das FBI prophylaktisch vor dem Vorwurf bewahren, Informationen zurückgehalten zu haben.

Die Reaktion Trumps auf all das ließ nicht lange auf sich warten. Am frühen Freitagmorgen nannte der Präsident Comey auf Twitter unter anderem einen "Lügner, der vertrauliche Informationen an die Presse weitergegeben hat und angeklagt werden sollte" und einen "schwachen Schleimer" Darüber hinaus beschuldigte er ihn des Meineids.

Republikaner holen zum Gegenschlag aus

Zur Seite sprang Trump umgehend seine Partei. Während sich das Kommunikationsteam des Weißen Hauses zurückhielt, übernahm das Republican National Committee, das höchste Gremium der Konservativen, den Kampf gegen Comey und die ihrer Meinung nach voreingenommenen Berichterstatter auf.

Unter der Führung der RNC-Vorsitzenden Ronna McDaniel - eine Nichte des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, die auf Trumps Bitte hin sogar ihren Familiennamen änderte - waren Parteiaktivisten bereits Anfang der Woche mit sogenannten "Talking Points" versorgt worden, die allesamt in die gleiche Kerbe stießen: Comey sei von hinten bis vorne unglaubwürdig, und das sei keine Frage der politischen Glaubensrichtung.

Zum Zweck der umfassenden Diskreditierung des Ex-FBI-Chefs riefen die Republikaner sogar eine eigene Website mit dem Namen lyincomey.com ins Leben. Ob das reicht, um die öffentliche Meinung entscheidend zu beeinflussen, ist indes fragwürdig. Bis Freitagmittag war es nicht der Hashtag #LyinComey, der es in die Twitter-Charts schaffte, sondern #peetape.

"A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership" von James Comey (Flatiron Books, 304 Seiten, 17,99 US-Dollar)