Zum Hauptinhalt springen

Wien als Drehscheibe der Diplomatie im Syrien-Konflikt?

Von Thomas Seifert aus Moskau

Politik

Gleichklang an der Staatsspitze beim Versuch, Wien als Austragungsort von Syrien-Verhandlungen ins Spiel zu bringen.


Moskau. Bundespräsident Alexander van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenministerin Karin Kneissl üben sich dieser Tage im rhetorischen Gleichklang im Versuch, eine neue Runde von Syrien-Gesprächen in Wien anzustoßen. Van der Bellen besucht dieser Tage Jordanien und der Bundespräsident sagte dort, dass man in Jordanien hoffe, "dass auf allen Seiten wieder Vernunft einkehrt und man sich wieder darauf besinnt, an den Verhandlungstisch zurückzukehren", sagte Van der Bellen, nicht ohne hinzuzufügen: "Sei es in der alten Fasson der Genfer Verhandlungen unter UNO-Leitung, sei es an einer neuen Location mit neuen Teilnehmern. Vielleicht unter Beteiligung von Staaten, die insofern neutral sind, als sie nicht an dem Konflikt beteiligt sind."

Und van der Bellen brachte dabei auch – wie schon zuvor Kanzler Kurz und Außenministerin Karin Kneissl – Wien ins Spiel. Man könne sich angesichts des Stillstandes bei den Genfer Syrien-Verhandlungen die Frage stellen, "auf welche Weise man das neu beleben kann, sei es durch einen Wechsel der Location - und hier hat Wien natürlich einen hervorragenden Ruf - , sei es durch die zusätzliche Hereinnahme anderer Partner, die keine unmittelbaren Interessen in der Region haben." Freilich, dabei handle es sich derzeit noch um eine Idee, schwächte van der Bellen ab, die noch nicht konkret gediehen sei.

Aber das Werben Wiens für einen neuen Anlauf bei Friedensverhandlungen scheint über eine bloße Idee hinauszugehen: Kurz hat am Mittwoch bei einem Telefonat mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel über mögliche diplomatische Initiativen für einen friedlichen Lösung des Syrien-Konflikts gesprochen und am Dienstag hat er UN-Sondervermittler Staffan de Mistura "volle Unterstützung für die UN-Friedensverhandlungen angeboten", denn Österreich habe eine lange Tradition als Ort des Dialogs und als Brückenbauer. Und auch Kneissl hat in Jordanien "auf einen neuen Elan im Sinne einer seriösen Verhandlung" gedrängt. Nach ihrem Treffen mit König Abdullah und Gesprächen mit ihrem jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi sprach Kneissl davon, dass es in Jordanien "großes Interesse an Österreich" gebe. Denn Österreich sei, "im Gegensatz zu einigen anderen, auch europäischen, Staaten" nie Partei im Syrienkrieg gewesen. Die Außenministerin betonte: "Wenn die Nachfrage da ist, dann stellen wir uns zur Verfügung."

Am Donnerstag ist Kneissl nach Moskau gereist. Man kann davon ausgehen, dass sie bei ihrem heutigen Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow Wien als Verhandlungsort von Syrien-Gesprächen einbringen wird. In Moskau könnte Kneissl durchaus ein offenes Ohr für das österreichische Anliegen finden – Lawrow war im Rahmen der Gespräche über das iranische Atomwaffenprogramm wiederholt und auch über längere Zeiträume in Wien, zudem ist er immer wieder im Rahmen von Außenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Stadt. Die diplomatische Infrastruktur der russischen Botschaft in Wien ist sehr gut ausgebaut. Kneissl will am Freitag in Moskau UN-Syrien-Sondervermittler di Mistura, der ebenfalls in Moskau zu Gesprächen mit dem russischen Außenminister weilt, treffen – und bei ihm ebenfalls für den Standort Wien für Syrien-Gespräche werben.

Die Frage ist freilich, wie man solchen Verhandlungen neuen Schub geben könnte: Denn die Konfliktparteien in Syrien stehen einander unversöhnlich gegenüber, Präsident Bashar al-Assad wird von der syrischen Opposition und dem Westen beschuldigt, wiederholt Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben. Die Türkei führt weiter Krieg auf syrischem Territorium gegen kurdische Milizen, die wiederum Hilfe von der US-Armee erhalten, die syrische Armee kämpft – unterstützt von russischen Einheiten und der mit dem Iran verbündeten libanesischen Hisbollah – gegen sunnitische Dschihad-Gruppen. Die jüngsten Bombenangriffe Israels auf Ziele in Syrien und die Luftschläge der USA, die nach US-Angaben gegen syrische Chemiewaffen-Einrichtungen gerichtet waren, haben die Lage weiter zugespitzt. Ein gordischer Knoten ist ein trivial zu lösendes Problem verglichen mit diesem chaotischen Knäuel aus gegensätzlichen Interessen, schwierigen Allianzen und der vertrackten Eingefahrenheit eines blutigen Bürgerkriegs, der seit 2011 andauert.

Die Moskau-Reise von Kneissl ist aber nicht unheikel: Russland wird in der Syrien-Frage von der Europäischen Union und den USA nicht gerade als konstruktiver Player gesehen, zudem sind die Beziehungen zwischen London und Moskau auf dem Gefrierpunkt, da die britische Regierung Moskau beschuldigt, einen Nervengiftanschlag auf den ehemaligen Geheimdienstmann Sergej Skripal auf britischem Boden autorisiert zu haben.

Kneissl sitzt zudem auf einem FPÖ-Ticket im Außenministerium – die russophile Position wird von manchem europäischen Partner durchaus mit Argwohn gesehen. Am Donnerstag hielt Kneissl jedenfalls einen Vortrag an der Diplomatischen Akademie in Moskau und eröffnete am Abend das "Österreich Institut". Russland ist das erste Land außerhalb der österreichischen Nachbarländer, die ein solches Institut erhalten. Moskau ist das zehnte Institut dieser Art, in dem vor allem Deutschkurse abgehalten werden. Zumindest das kann als Beitrag zum besseren Verständnis zwischen Russland und der deutschsprachigen Welt beitragen.