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Der Mann, der mit dem Kreml Katz und Maus spielt

Von Ronald Schönhuber

Politik

Der Internet-Milliardär Pawel Durow weigert sich trotzig, den russischen Behörden Zugang zu seinem Messaging-Dienst Telegram zu gewähren.


Moskau. Dass er weiß, wie man Geld macht, hat Pawel Durow schon eindrücklich bewiesen. Mit gerade einmal 22 Jahren gründet der damals frischgebackene Absolvent der Universität St. Petersburg 2006 das soziale Netzwerk V-Kontakte, das abgesehen von ein paar Verbesserungen nicht viel mehr ist als eine simple Facebook-Kopie. Die Nutzer, die auf dem russischen Klon Videos, Musik und Fotos hochladen konnten, stört das freilich wenig. Bereits im zweiten Jahr knackt V-Kontakte die Drei-Millionen-Mitglieder-Marke, nach fünf Jahren sind es schon 80 Millionen.

Der rasante Aufstieg macht den jungen russischen Internet-Unternehmer zum Milliardär. Doch um Geld geht es derzeit nur am Rande. Denn im Augenblick steht Durow vor allem deshalb im internationalen Scheinwerferlicht, weil er sich beharrlich weigert, den russischen Behörden Zugang zu seinem Messaging-Dienst Telegram zu gewähren.

Den offiziellen Stellen ist die 2013 aus der Taufe gehobene Chat-App vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil sie über eine ausgesprochen ausgefeilte Verschlüsselungsstruktur verfügt, die sicherstellt, dass Nachrichten nicht von Dritten gelesen werden können. Telegram wird daher gerne von Oppositionellen verwendet, wenn sie sich ohne Beobachtung durch den Kreml austauschen wollen. Auch Protestaktionen werden häufig auf diese Weise organisiert und koordiniert.

Um den missliebigen Dienst, der nach Ansicht des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB auch von Terroristen genutzt wird, in die Knie zu zwingen, hatte ein Moskauer Gericht bereits in der vergangenen Woche die Schließung von Telegram angeordnet. Seit Montag versuchen die Behörden zudem, den Messenger durch die Sperrung von Millionen IP-Adressen lahmzulegen - bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Denn Telegram liefert sich mit der Aufsichtsbehörde Roskomnadsor ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel. Ständig wechselt der Chat-Dienst, der in Russland knapp 15 Millionen Nutzer hat, auf andere im Ausland beheimatete Server und entzieht sich damit dem Zugriff.

Und Durow, der in der Vergangenheit immer wieder mitteilen hat lassen, "dass keine Regierung und kein Geheimdienst jemals auch nur ein Bit von uns bekommen haben", scheint durchaus bereit zu sein, dieses Spiel weiterzuspielen. So lässt der 33-Jährige am Dienstag mit der Ankündigung aufhorchen, Unternehmen oder Privatpersonen, die die Freiheit des Internets verteidigen, mit Millionenbeträgen zu unterstützen. Nur einen Tag später veröffentlicht er auf der Fotoplattform Instagram dann ein Bild aus dem Film "Braveheart", das Mel Gibson als schottischen Widerstandskämpfer zeigt. "Sie können unsere IP-Adressen nehmen, aber niemals unsere Freiheit", steht daneben geschrieben.

Sein Image als Rebell kultiviert Durow allerdings schon länger. So gerät er bereits 2011 den russischen Behörden ins Gehege, nachdem viele junge Russen ihre Protestaktionen gegen Präsident Wladimir Putin über V-Kontakte organisiert hatten. Auch damals widersetzt sich Durow trotzig der Anordnung des FSB, einige Gruppen von Oppositionellen zu löschen. Stattdessen veröffentlicht er den Brief des berüchtigten Inlandsgeheimdiensts im Internet in der Hoffnung, damit die Kreml-Gegner weiter mobilisieren zu können.

Der Preis, den er dafür zahlen muss, ist allerdings hoch. Nach einem unmissverständlichen Besuch von bewaffneten Geheimdienstenleuten in seiner Wohnung verkauft Durow sukzessive seine noch verbliebenen Anteile an V-Kontakte und setzt sich 2014 schließlich ins Ausland ab. Seither lebt er als moderner Nomade, der sich mit nicht viel mehr als einem Laptop und ein paar Handys mal für einige Monate in Berlin, oder Singapur niederlässt, um dann weiter nach London zu ziehen. Dass er dennoch nicht klein beigeben will, zeigt nicht nur sein trotziger Widerstand gegen den Kreml. So arbeitet Durow in Dubai derzeit an seinem neuesten Projekt. Mit einer eigenen Kryptowährung namens "Gram" soll Telegram über kurz oder lang auch ein Bezahldienst mit hunderten Millionen von Nutzern werden.