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Geopolitischer Poker mit mehr als nur zwei Spielern

Von Klaus Huhold

Politik

Die Nordkorea-Krise wird alleine mit einem Gipfel kaum zu lösen sein. Dafür sind die Interessen der einzelnen Mitspieler zu verschieden.


Singapur/Wien. Es war wohl mehr Impuls als Überlegung: Als Donald Trump Anfang März die Einladung von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zu einem Treffen erhalten hatte, soll er laut US-Medien schnell und spontan zugesagt haben - ohne viel zu überlegen oder sich allzu sehr mit Beratern abzusprechen. Damit war der Weg frei für den historischen Gipfel in Singapur am Dienstag - seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 ist noch kein US-Präsident mit einem nordkoreanischen Staatschef zu direkten Gesprächen zusammengekommen.

Dadurch wurde auch vorgezogen, was normalerweise am Ende steht: Gewöhnlich werden solche Gipfel monatelang von Unterhändlern vorbereitet, die Details und Standpunkte in mühseliger Kleinarbeit geklärt. Die beiden Staatschefs treffen sich dann nur noch zur Klärung letzter Unstimmigkeiten, die dann noch in eine zur Gänze schon vorbereitete Abschlusserklärung eingearbeitet werden.

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Diesmal steht das Treffen der Staatschefs aber am Anfang des Annäherungsprozesses. Was auch das Ergebnis des Gipfels am Dienstag sein wird - und dieses kann ohnehin sofort wieder durch einen Tweet oder eine Laune Trumps in Frage gestellt werden -, die Krise rund um das nordkoreanische Atomprogramm wird damit kaum beendet sein. Südkoreas Präsident Moon Jae-in sagte am Montag, dass er gar mit jahrelangen Verhandlungen rechne.

Denn die Interessen liegen weit auseinander, und es sind viele Mitspieler am Werk. Das zeigt sich schon bei der Kernfrage: dem nordkoreanischen Atomprogramm. Nordkorea verkündete Anfang des Jahres, dass dieses gegenwärtig abgeschlossen sei, da mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen nun die USA erreichen könnten. Ob das stimmt oder nicht, kann man nicht nachprüfen. Jedenfalls hat Nordkorea bei der Aufrüstung große Fortschritte gemacht. Nun will Kim offenbar in einer nächsten Phase das Land wirtschaftlich öffnen. Dafür muss er seinen Staat aus der Isolation führen, und dafür braucht er die USA. Er benötigt diese nicht nur für eine Lockerung der Sanktionen, sondern auch, weil weltweit viele wichtige Geschäfte in Dollars abgeschlossen werden und Washington somit einen enormen Einfluss hat.

Chinas Haltung ist entscheidend für den Konflikt

Für die USA ist Nordkorea wirtschaftlich vollkommen unbedeutend. Auf keinen Fall kann die Weltmacht aber akzeptieren, dass sie von Nordkorea atomar bedroht wird. Das will Trump abwenden - bisher versuchte er es mit einer Mischung aus Drohungen und Verhandlungsbereitschaft. Zudem ist die Nordkorea-Frage mit enorm viel Prestige für Trump verbunden. Gelingt es ihm, den Gordischen Knoten zu zerschlagen und die Korea-Krise zu lösen, wäre ihm eine weltpolitische Großtat gelungen. Allerdings: Nordkorea mag zwar öffentlich alle möglichen blumigen Zugeständnisse machen. Ob das Land tatsächlich auf seine Atomwaffen verzichtet, wie es die USA fordern, steht auf einem anderen Blatt.

Dabei kommt noch ein weiterer entscheidender Akteur ins Spiel: China. Von Peking ist abhängig, wie viel Druck auf das Regime in Pjöngjang ausgeübt werden kann, da dessen Handelsbeziehungen fast ausschließlich mit der Volksrepublik laufen. Nordkorea ist damit Teil der Verhandlungsmasse zwischen China und den USA. Die beiden haben nämlich viele Konflikte miteinander - etwa den Handelsstreit um Zölle oder auch das immer stärkere militärische Vordringen Chinas im pazifischen Raum. Wenn China nun den USA in der Nordkorea-Frage entgegenkommt, dann wird es dafür eine Gegenleistung auf einem anderen Konfliktfeld verlangen.

Zudem ist fraglich, wie sehr Peking darüber erfreut ist, wenn sich Pjöngjang und Washington annähern: Einerseits ist es an einer Deeskalation der Lage interessiert, weil es Ruhe in seiner Nachbarschaft haben will. Andererseits ist China nicht daran gelegen, dass mit den USA der große geopolitische Rivale mehr Einfluss in der Region gewinnt.

Viel klarer ist die Position Südkoreas: Seoul will, dass sich die Lage beruhigt. Kaum ein Land würde eine militärische Konfrontation derart hart treffen. Die Hauptstadt Seoul liegt nur rund 50 Kilometer von der Grenze entfernt und damit in Reichweite der nordkoreanischen Artillerie. Südkoreas Präsident Moon hat auch beharrlich am Annäherungsprozess mitgewirkt. Und er hat dem US-Präsidenten eine Steilvorlage mit den versöhnlichen Tönen beim innerkoreanischen Gipfel geliefert. Bei diesem war auch von einem Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea die Rede. Rein völkerrechtlich ist der Koreakrieg noch nicht beendet. Sich in dieser Frage beim Gipfel in Singapur einzubringen, ist eine große Chance für Trump, um als Friedensstifter zu punkten.