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"EU ist für Trump Konkurrent"

Von Stephanie Liechtenstein

Politik

Damon Wilson von der Denkfabrik Atlantic Council über die Spannungen zwischen EU und USA.


"Wiener Zeitung": Die transatlantischen Beziehungen werden als einer der Grundpfeiler der Weltordnung angesehen. Wie beurteilen Sie den derzeitigen Gesamtzustand?

Damon Wilson: US-Präsident Donald Trump scheint das europäische Projekt nicht gänzlich zu verstehen. Mir kommt oft vor, er sieht die Europäische Union als einen Konkurrenten an anstatt als einen Partner. Bei all dem sollten wir jedoch nicht den Gesamtblick auf die lange Historie der transatlantischen Beziehungen verlieren. Denn da sind auch Kräfte am Werk, die stärker sind als einzelne Politiker. Diese Kräfte halten uns zusammen. Die transatlantischen Beziehungen haben bereits viele Krisen überstanden, wie etwa die Suez-Krise, den Vietnam-Krieg und den Irak-Krieg. Spannungen gab es also in unserer transatlantischen Familie schon immer.

Könnten Länder wie Russland oder China die derzeitige Situation dennoch für ihren eigenen Vorteil nutzen?

Negative Kräfte werden immer von der Uneinigkeit des Westens profitieren. Die Frage ist, wie lange wird US-Präsident Donald Trump brauchen, um zu realisieren, dass die Spannungen mit Europa Moskau oder Peking dazu anstiften, Schaden anzurichten.

Denken Sie, dass es Europa gelingen wird, das Iran-Abkommen am Leben zu halten? Können die USA den Europäern verbieten daran festzuhalten?

Aus amerikanischer Sicht geht es hier nicht um Europa. Es geht nicht um europäische Souveränität oder Ähnliches. Hier geht es einzig und alleine um den Iran und das Atomprogramm des Landes. Das Atom-Abkommen hatte bereits in der vorherigen US-Administration keine Unterstützung der Republikanischen Partei. Daher denke ich, dass so gut wie jeder republikanische US-Präsident versucht hätte, aus dem Abkommen auszusteigen.

Amerika hatte das starke Gefühl, dass eine neue Strategie notwendig wurde, um den Iran unter Kontrolle zu bringen. Das Abkommen war ja von Anfang an alleine auf die Nuklearfrage fokussiert. Aus amerikanischer Sicht geht es jedoch um etliche andere Themen, die eigentlich Teil eines solchen Abkommens sein sollten.

Aber der Punkt ist doch, dass das Abkommen zum Ziel hatte das iranische Atomprogramm unter Kontrolle zu bringen und nicht andere Schwierigkeiten zu thematisieren, wie etwa die iranische Unterstützung der Hisbollah.

Ich denke dennoch, dass das Abkommen von republikanischer Seite nur unterstützt worden wäre, wenn es von Anfang in eine umfassende Strategie eingebettet gewesen wäre.

Wie beurteilen Sie das Zerwürfnis zwischen den G7-Staaten beim Gipfel in Kanada am 8. und 9. Juni?

Die G7-Treffen sollten eigentlich der bevorzugte Ort sein, an dem sich die sogenannte freie Welt vereint, um gemeinsam gegen autoritäre Kleptokratien vorzugehen. Anstatt uns auf diese reale Schlacht zu konzentrieren, scheinen wir durch einen Familien-Disput abgelenkt zu sein.