Zum Hauptinhalt springen

Altes Krokodil mit neuem Gesicht

Von Klaus Huhold

Politik

Simbabwes Wahlsieger Mnangagwa muss sich demokratisch geben. Reformen sind aber ein Risiko für ihn.


Harare/Wien. 36.464 Stimmen empfindet Simbabwes Opposition als Schlag ins Gesicht. Genau diese Anzahl ist es, die Amtsinhaber Emmerson Mnangagwa über die 50-Prozent-Marke gehoben und schon im ersten Durchgang der Präsidentenwahl zum Sieger gemacht hat. Von den 4,8 Millionen Wählern, die zu den Urnen schritten, entschieden sich 50,8 Prozent für den 75-Jährigen.

Das verkündete zumindest die Wahlkommission. Doch der unterlegene Oppositionskandidat Nelson Chamisa, auf den laut offizieller Auszählung 44,3 Prozent der Stimmen entfielen, traut dieser nicht und sieht sich selbst als Sieger. Man werde alles unternehmen, "damit der Wille des Volkes geschützt wird", sagte der 40-jährige Pastor vom Movement for Democratic Change (MDC).

Er und seine Mitstreiter erheben schwere Vorwürfe: Dass die Wahlkommission unter dem Einfluss der Regierungspartei Zanu-PF stand, die Wahlregister nicht korrekt waren und Wähler eingeschüchtert wurden. Das haben auch unabhängige Beobachter wahrgenommen, und allen ist klar, dass die Opposition nicht dieselben Voraussetzungen hatte - allein schon, weil fast alle Medien von der Regierung kontrolliert werden. Niemand konnte aber zunächst die Frage beantworten, ob das verkündete Auszählungsergebnis stimmte oder nicht.

Die Opposition kann nun vor Gericht gehen - allerdings verkündete sie bereits, dass sie diese nicht als unabhängig einstuft. Und sie kann auf die Straße ziehen. Proteste hat es in den vergangenen Tagen bereits gegeben. Als dabei Barrikaden erreichtet wurden, schoss das Militär mit scharfer Muntion. Mindestens sechs Todesopfer waren die Folge. Nach Ansicht des Leiters der EU-Beobachtermission, Elmar Brok, wurde "bewusst eskaliert, um den Widerstand zu unterdrücken". Auch am Freitag zeigten die Sicherheitskräfte zunächst demonstrativ Präsenz. Wie weit die Opposition unter solchen Umständen mobilisieren kann, ist fraglich.

Insgesamt steht sie auf eher verlorenem Posten. Auch nach der 37-jährigen Ära des Autokraten Robert Mugabe scheint sich die Herrschaft von Zanu-PF fortzusetzen, die wohl den Staatschef stellen wird und auch noch bei der Parlamentswahl die Zwei-Drittel-Mehrheit gewann. Der neue alte Staatschef Mnangagwa rief zu einem Neubeginn "in Liebe" auf. Er will offenbar Chamisa für sich gewinnen und sagte, dass dieser für Simbabwes Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird.

Als Versöhner fehlt ihm aber jegliche Glaubwürdigkeit. Er wird das Krokodil genannt - weil ihm eine Vorliebe für eine gewisse Luxusmarke nachgesagt wird und weil der gewiefte Taktiker weiß, wann er sich im Hintergrund halten und wann er zuschnappen muss. Er war Mugabes rechte Hand, als bei einem Feldzug in den 1980er Jahren 20.000 als illoyal eingestufte Bürger, die hauptsächlich der Ethnie der Ndebele angehörten, getötet wurden. Und auch später diente er dem Langzeitherrscher als Mann fürs Grobe. Mnangagwa verdrängte Mugabe erst dann mit Hilfe des Militärs von der Macht, als er sich mit dessen Frau Grace Mugabe zerstritten hatte.

Mnangagwa ist aber auch ein Pragmatiker. Er weiß, dass er den langjährigen Paria-Staat aus der internationalen Isolation holen muss, um der maroden Wirtschaft auf die Beine zu helfen - und gibt daher nun den Demokraten. So ist auch seine Ankündigung, dass die Gewalt an Oppositionellen untersucht wird, als Zeichen an den Westen zu verstehen. Die EU hat sich zuvor kritisch zum Wahlverlauf geäußert. Andere für Simbabwe entscheidende Staaten, wie Südafrika oder China, haben das Votum bereits abgesegnet.

Die Landwirtschaft in der einstigen Kornkammer Afrikas, in der weiße Farmer vertrieben wurden, liegt am Boden, den Gewinn aus den Minen schöpfen nur ein paar wenige ab, Investoren machen einen Bogen um das Land. Simbabwe braucht Reformen, doch Mnangagwa steckt hier in einem Dilemma.

Denn der wenige Reichtum wird in Simbabwe über den Staatsapparat verteilt. Wenn dieses Modell aber aufgebrochen wird, plötzlich Transparenz, Konkurrenz und ein Wettstreit der Ideen herrschen, gefährdet das die bisherigen Gewinner des Systems. Das sind die alten Herrscher, die schon unter Mugabe das Land unter sich aufteilten. Sie bilden auch heute die Machtbasis von Mnangagwa.