Könnte dieser Gedanke auch beim überraschenden Besuch von Präsident Wladimir Putin auf der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl eine Rolle gespielt haben?

Ich könnte mir vorstellen, dass das eher eine impulsive Entscheidung war. Oder dass Präsident Putin versucht hat, seine menschliche Seite öffentlich zu demonstrieren.

Ich möchte hier auch noch den Konflikt in der Ostukraine ansprechen. Denn die derzeitigen Spannungen zwischen Russland und dem Westen widerspiegeln sich gerade dort am offensichtlichsten.

Ich vergleiche diesen Konflikt gerne mit einer russischen Matrjoschka-Puppe, denn er findet auf unterschiedlichen Ebenen statt. Einerseits gibt es die innerstaatliche Dimension. Die Ukraine ist ein heterogenes Land und daher ist es besonders schwierig, eine einheitliche Meinung zustande zu bringen. Dann gibt es natürlich die ukrainisch-russische Dimension. Russland ist definitiv in diesen Konflikt involviert und hat auch die Druckmittel zur Verfügung, Einfluss auf den Konflikt auszuüben. Die sogenannten Republiken Donezk und Lugansk sind vielleicht nicht gerade Marionetten, sie können aber ohne die Unterstützung Moskaus nicht überleben. Zuletzt gibt es noch die Ebene der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, die Sie bereits selbst angesprochen haben. Abgesehen von diesen unterschiedlichen Ebenen, sollte man sich derzeit auf die Dinge fokussieren, die machbar sind. Ich sehe hier vor allem die Notwendigkeit, an einer Peacekeeping-Mission zu arbeiten. Selbst wenn derzeit die Positionen Moskaus und Kiews noch auseinandergehen, so glaube ich, dass diese Differenzen nicht unüberwindbar sind. Ich sehe eher ein Problem im Timing, denn in der Ukraine finden 2019 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Dadurch wird es naturgemäß weniger Möglichkeiten für Kompromisse oder Zugeständnisse von ukrainischer Seite geben. Nach den Wahlen wird das sicher leichter. Lassen sie mich hier diesen Gedanken noch positiv beenden. Auch in Österreich war noch bis in die 1960er Jahre der Südtirol-Konflikt anhängig. Doch schlussendlich haben sich Österreich und Italien geeinigt. Das zeigt, dass wenn es ausreichend politischen Willen sowie Einsatz von allen Seiten gibt, man alle Probleme lösen kann.

Zur Person

Andrej Kortunow

ist Direktor des Russian International Affairs Council (RIAC). Der 62-jährige Historiker hat an Universitäten in Russland und den USA unterrichtet und forscht vor allem zu internationalen Beziehungen.