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"Abhängig vom privaten Charakter"

Von Konstanze Walther

Politik

Brett Kavanaugh sieht sich immer mehr Vorwürfen aus seiner Studentenzeit ausgesetzt.


Washington/NewHaven. "Bruder" George W. Bush feierte seine Bruderschaft: "In einer freien und mitfühlenden Gesellschaft ist das Wohl der Allgemeinheit abhängig von dem privaten Charakter."

So steht es stolz auf der Homepage der Bruderschaft Delta Kappa Epsilon, liebevoll "Deke" abgekürzt. Deke ist eine elitäre Studentenverbindung, eine der ältesten Nordamerikas, und wurde an der Universität Yale im 19.Jahrhundert begründet. Doch sie umfasst inzwischen 56 Filialen in der englischsprachigen Welt. Der ehemalige Präsident George W. Bush war in seiner Studienzeit in Yale in den 1960er Jahren sogar ein Jahr Präsident von Deke Yale. Auch sein Vater, George Bush sen., war Mitglied von Delta Kappa Epsilon.

Eine Fahne aus Unterwäsche

Doch in den 1980er Jahren war Deke Yale nur noch ein Schatten seines noblen Gründungsgedankens. 1985, als Brett Kavanaugh in seinem zweiten Jahr in Yale und auch bereits Mitglied der Bruderschaft war, publizierte etwa die Campuszeitung ein Foto mit Deke-Bewerbern, die eine gebastelte Fahne, bestehend aus weiblicher Unterwäsche, vor dem Gebäude für Zentrale Administration schwangen. Auf Twitter erinnerte sich Heather Gold, dass in den 1980er Jahren zutiefst betrunkene Mitglieder der Bruderschaft in ihre Schlafsäle eingedrungen waren, um Unterwäsche zu stehlen. Eine andere Yale-Absolventin, Natalie Danford, schreibt, dass bei einem Protestmarsch gegen sexuelle Übergriffe eine Gruppe von Deke-Mitgliedern am Straßenrand stand und skandierte: "Wir können vergewaltigen, wen wir wollen!"

Das war also das Umfeld, in dem Brett Kavanaugh Rechtswissenschaften studierte. Kavanaugh wurde von US-Präsident Donald Trump für einen Sitz am Supreme Court nominiert - in der anglosächsischen Welt eine Institution von enormer Tragweite. Denn während in Kontinentaleuropa die meisten Rechtsfälle anhand von Gesetzen beurteilt werden, orientiert man sich in den USA und in Großbritannien an Präjudizien: Wie haben die Richter früher geurteilt? Welche Entscheidung hat der Supreme Court dazu gefällt?

Der Supreme Court umfasst neun Sitze. Inzwischen sind nur noch vier der Juristen von demokratischen Präsidenten entsandt, Kavanaugh würde als fünfter konservativer Richter Donald Trumps Partei die Mehrheit sichern. Und sogar noch ein bisschen eine Übererfüllung bringen: Kavanaugh ist in Sachen Schwangerschaftsabbruch konservativer als so mancher Parteigänger. Und auch zum Präsidentenamt hat er klare Vorstellungen: Ein amtierender Präsident kann nicht vor Gericht gestellt werden. Das soll sich also Sonderermittler Robert Mueller ins Stammbuch schreiben, finden Kavanaughs republikanische Verteidiger. So könnte man mit der Nominierung Kavanaughs sämtliche Probleme lösten: Die Evangelikalen befrieden, Trumps Präsidentschaft absichern, die Judikatur in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen. Kavanaugh wäre mit 53 Jahren das zweitjüngste Mitglied eines Gremiums, in dem die Ernennung auf Lebenszeit gilt.

Doch die Zeiten haben sich geändert, dank #metoo werden sexuelle Übergriffe immer mehr zum Thema gemacht.

Das Glied im Gesicht

Wie berichtet, hat sich die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford an ihre Senatorin gewandt: Der damals 17-jährige Kavanaugh hätte in seiner Zeit in Yale die damals 15-jährige Ford zu vergewaltigen versucht. Er habe sie in ein Zimmer gedrängt, aufs Bett geworfen, begrapscht, ihr den Mund zugehalten und an ihrer Kleidung gezerrt. Nur dank des Einschreiten eines Mitstudenten hätte Ford entkommen können.

Am Sonntag berichtete nun derselbe Journalist, der auch den Skandal um Filmproduzent Harvey Weinstein aufdeckte, dass sich eine weitere Kommilitonin von Kavanaugh an sexuelle Übergriffe erinnere. In einer betrunkenen Runde hätte er sein Glied entblößt und es am Gesicht von Deborah Ramirez gerieben.

Der Anwalt von Stormy Daniels, Michael Avanatti, twitterte zuletzt, auch er hätte eine (neue) Klientin mit "Informationen" zu Kavanaugh. Damit wäre diese Klientin eine vermeintliches drittes Opfer. Kavanaugh bestreitet jegliche Anschuldigung.

Trump ließ am Montag wissen, er stünde weiterhin hinter Kavanaugh.