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"Der Junge, der mich attackierte"

Von Konstanze Walther

Politik

Brett Kavanaughs mutmaßliches Opfer, Christine Blasey Ford, machte vor dem Justizausschuss einen äußerst glaubwürdigen Eindruck.


Washington. "Ich will eigentlich nicht hier sein. Und ich habe auch große Angst", erklärt Christine Blasey Ford vor dem Justizausschuss des US-Senats. Aber "ich glaube, es ist meine Bürgerpflicht", fährt sie fort, mit zitternder Stimme. "Ich bin hier wegen des Jungen, der mich sexuell attackierte."

Ford, Professorin für Psychologie an der Palo Alto Universität, wurde vom US-Senat eingeladen, um über ihre bekanntgewordenen Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh auszusagen. Denn dieser ist von US-Präsident Donald Trump für ein Richteramt am Supreme Court nominiert worden. Und Blasey Ford hat Erfahrungen mit Kavanaugh gemacht, die ihn für ein solch hohes moralisch anspruchsvolles Amt untragbar machen würden. Es haben sich inzwischen noch zwei weitere Frauen mit Vorwürfen gegen Kavanaugh gemeldet - aber deren Erlebnisse, dass machte der Ausschuss am Donnerstag klar, sind nicht Gegenstand des nunmehrigen Hearings.

Ford beschrieb vor dem Ausschuss ihre Sommer als Teenagerin in Maryland, Schülerin eines Mädchen-Gymnasiums, die, wie viele andere, Buben von Buben-Gymnasien auf diversen Partys kennenlernte. Sie war damals, 15-jährig, lose befreundet mit einem Klassenkameraden von Brett Kavanaugh, der damals 17 Jahre alt war. Aber Kavanaugh und sie kannten einander vom Sehen.

Bei einer spontanen Party, bei der wahrscheinlich nicht mehr als zehn Teenager sich in einem Haus im "sturmfreien" Zustand versammelt haben. Brett Kavanaugh und sein Freund Mark Judge waren schon extrem betrunken, als sie gekommen war, erzählt Ford. Und als sie sich von der Gruppe löste, um in einem anderen Stockwerk das WC aufzusuchen, wurde sie von hinten geschubst, in ein Schlafzimmer gestoßen, die Tür wurde zugesperrt, die Musik lauter gedreht. Kavanaugh beschwerte sie mit seinem Gewicht, versuchte, ihr die Kleidung vom Leib zu reißen, und hielt ihr den Mund zu, als sie um Hilfe schrie. "Das machte mir die meiste Angst: Dass Brett mich unabsichtlich tötet, denn ich konnte nicht mehr atmen." Als Kavanaughs Freund auf das Bett sprang, fielen alle drei hinunter, Ford konnte entkommen und verbarrikadierte sich am WC. Sie hörte, wie die beiden Teenager lachend die Treppe hinunter stolperten.

"Die Details sind in mein Gedächtnis eingraviert"

"Ich kann mich nicht mehr an alles in dieser Nacht erinnern", erklärt Ford. "Aber die Details, weshalb ich heute aussage, sind in mein Gedächtnis eingraviert und holten mich mein ganzes Leben immer wieder heim."

Ford nahm auch die Vorwürfe vorweg, weshalb sie nicht früher etwas gesagt hat. Damals, im Sommer 1982 etwa. "Ich habe mich geschämt. Ich wollte nicht meinen Eltern sagen, dass ich ohne Aufsicht mit Buben Bier trinke."

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Später, aber noch lange, bevor die Rede von Kavanaugh für das Oberste Gericht war, erzählte sie schließlich einem Therapeuten davon. Und als sie im Frühsommer erfuhr, dass Kavanaugh auf der Short List der Kandidaten für den Supreme Court war, spürte sie, dass sie etwas tun müsse. "Aber ich wusste nicht wie." Sie versuchte, sich mit der politischen Repräsentantin ihres Bezirks in Verbindung zu setzen. Sie gab der "Washington Post" einen anonymen Tipp. Aber nichts passierte. Dann war Kavanaugh auf einmal der offizielle Kandidat für den Supreme Court. Und erst dann, Ende Juli, meldete sich das Büro der Politikerin zurück. Die gab ihr wiederum den Rat, einen Brief an ihre - kalifornische - Senatorin Dianne Feinstein zu schreiben. Das tat sie, mit der Bitte um Vertraulichkeit.

"Alles, was ich befürchtet habe, ist wahr geworden"

"Meine Angst, öffentlich bloßgestellt zu werden, stieg täglich." Sie hatte auch das Gefühl, ihre einzige Stimme sei nicht genug, um die Nominierung Kavanaughs zu beeinflussen. Also entschied sie sich, zu schweigen.

Aber das ging nicht mehr. Denn ihr Brief kursierte in Journalistenkreisen. Reporter belagerten Ford, kamen zu ihr nach Hause, befragten sie vor ihren Studenten, ob sie Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sei.

Hier bricht Fords Stimme wieder. Es waren viele Demütigungen, die sie erfahren hat. Aber nicht nur: "Alles, was ich befürchtet habe, ist wahr geworden. Nur, dass die Realität noch viel schlimmer ist." Ford berichtet von ständigen Drangsalierungen, von Drohungen, von Beschimpfungen. Ihre persönlichen Daten wurden im Internet publiziert, sie musste mit ihrer Familie aus dem Haus flüchten. Ihre Arbeitsmail wurde gehackt. "Und nun muss ich mein Trauma vor der ganzen Welt noch einmal durchleben."

Ford machte einen extrem glaubwürdigen Eindruck bei ihrer Anhörung. Wenn Trump sein Wort hält, die Nominierung Kavanaughs zurückzuziehen - "sollte ich denken, dass er schuldig ist" -, dann müsste er Kavanaugh fallen lassen.