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Republikanische Zitterpartie

Von Michael Schmölzer

Politik

Am 6. November werden die Machtverhältnisse im US-Kongress neu geordnet. Präsident Trump muss bangen.


Washington/Wien. In fünf Wochen könnte US-Präsident Donald Trump übel mitgespielt werden. Diesmal nicht von Sonderermittlern oder US-Senatoren, sondern vom Wähler selbst. Denn am 6. November stehen die Zwischenwahlen an, die Midterm-elections, die traditionell für den amtierenden Präsidenten meist eine Verschlechterung bringen.

Gewählt wird der Kongress, und zwar das gesamte Repräsentantenhaus ("The House") und ein Drittel des Senats. Derzeit ist es so, dass die Republikaner in beiden Kammern über eine Mehrheit verfügen - im House sind es 236 Sitze zu 193. Im Senat liegt die Trump-Partei zwei Sitze voran.

Trump ist zweifellos einer der umstrittensten US-Präsidenten der jüngeren Geschichte; während die einen sein politisches Ende herbeisehnen, stärken ihm die
andern geradezu fanatisch den Rücken. Der 6. November ist für beide Gruppen entscheidend. Sollten die Republikaner eines der beiden Häuser im Kongress verlieren, würde Trump das Regieren künftig massiv erschwert, in einigen Fällen unmöglich gemacht. Zahllose Anliegen bekäme er gar nicht mehr durch, in vielen Fragen müsste er zumindest schmerzhafte Kompromisse eingehen.

Es ist auch damit zu rechnen, dass dann die Ermittlungen gegen ihn und sein Umfeld in Sachen Russland-Connection an weiter an Fahrt aufnehmen.

Trumps Chancen im Senat gut

Kein Wunder, dass bei den Umfrage-Instituten die Telefone heiß laufen und ein Heer an Mathematikern bereits jetzt das mögliche Wahlergebnis hochrechnet.

Laut der Statistik-Website "FiveThirtyEight" beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten das Repräsentantenhaus erobern, 80 Prozent. Beim Senat liegt diese Chance bei nur 32 Prozent: Demnach darf sich Trump zumindest Hoffnungen machen, nicht als "lame duck", also politisch komplett entmachtet, die zweite Hälfte seiner Amtszeit absitzen zu müssen.

Dass die Republikaner gute Chancen haben, ihre Mehrheit im Senat zu behalten, obwohl sie dort nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügen, hat einen Grund: Von dem Drittel an Sitzen, die zur Wahl stehen, entfallen 24 auf die Demokraten, aber nur neun auf die Republikaner. Das Risiko, mehr zu verlieren als zu gewinnen, ist hier für die Demokraten also höher. Somit sind Trumps Chancen, einem Amtsenthebungsverfahren in letzter Minute zu entkommen, intakt. Denn hierfür wäre der Senat notwendig. Über die Einleitung eines "Impeachments" entscheidet allerdings nur die Mehrheit im "House".

Die Meinungsforscher weisen auf die Wahlbeteiligung hin, die in vielen Fällen den Ausschlag zugunsten der Demokraten geben könnte. Demnach ist die Verärgerung über Trumps Politik ein größerer Motivator als die Zufriedenheit mit dem Wirken des US-Präsidenten. Auf Trumps Haben-Seite stehen die gute Wirtschaftslage und die damit einhergehende geringe Arbeitslosigkeit.

Demokraten wittern Morgenluft

Wie groß Trumps Beitrag hier
tatsächlich ist, darüber wird unter Ökonomen gestritten, der US-Präsident wird allerdings nicht müde, die gute Konjunktur als sein ureigenstes Verdienst zu preisen. Auch an unpassenden Orten wie vor der UN-Generalversammlung - was dem selbstverliebten US-Amerikaner ein lautstarkes und höhnische Gelächter der Staats- und Regierungschefs einbrachte.

Die Demokraten wittern Morgenluft, doch können sie sich ihres Erfolgs alles andere als sicher sein. Denn Wahlumfragen sind Momentaufnahmen, Trump und die Gesamtlage unberechenbar und vielschichtig wie eh und je. Der US-Präsident liegt mit Zustimmungswerten um die 40 Prozent nicht um Welten schlechter als seine Amtsvorgänger. Seine Basis scheint trotz der "Russland-Affäre" und zahlloser Fehltritte hinter ihm zu stehen. Gefährlicher für Trump war die Affäre rund um die Bestellung Brett Kavanaughs zum Höchstrichter.

Die Debatte um mögliche sexuelle Verfehlungen des Juristen hätten dem US-Präsidenten ein wichtiges Wählersegment abspenstig machen können, dessen er sich nicht sicher sein kann: die Mittelklasse-Frauen in den Vororten. Schließlich hatte Kavanaughs emotionaler Auftritt vor dem Senat in den Augen Trumps das Potenzial, auch auf dieses potenzielle Wählerreservoir überzeugend zu wirken.

Erschwerend für exakte Prognosen kommt dazu, dass die US-weite Stimmung auf die Midterm-Resultate nur bedingt durchschlägt. Bei den Wahlen zum "House" handelt es sich um 435 kleine Einzelabstimmungen - mit ihren jeweils eigenen Spezifika. Wobei das in einigen Medien breit berichtete Phänomen, wonach sich bei den Demokraten vor allem linke Kandidaten in Stellung brächten, dem Realitäts-Check nicht standhält.

Einzelne Rebellen konnten zwar lokale Partei-Beben auslösen - etwa die 28-jährige Linke Alexandria Ocasio-Cortez in New York. Politologen weisen aber darauf hin, dass sich in 97 Prozent der Fälle das Establishment durchgesetzt hätte. Der linke Demokrat Bernie Sanders hat im Zusammenhang mit den letzten Wahlen 2016 zwar für einige Unruhe an der Parteispitze gesorgt, letztlich hat aber die alte Garde weiterhin das Sagen. Allen voran die umstrittene, mittlerweile 78 Jahre alte Nancy Pelosi, die im November Vorsitzende des Repräsentantenhauses werden möchte.

Auf den ersten Blick scheint die Strategie der Demokraten im Hinblick auf die Midterms Erfolg versprechend. Sie wollen vor allem jene Wahlkreise holen, in denen derzeit Republikaner die Parlamentssitze halten, die aber 2016 bei der Präsidentenwahl an Hillary Clinton gingen. Wahlkreise mit gemäßigten Wählern und mit vielen Wechselwählern, wo die politische Mitte eine gute Chance hat.

Bei einigen Nachwahlen, gemeinhin als Testwahlen betrachtet, hat das aus Sicht der Opposition gut geklappt - in Pennsylvania etwa, wo der Demokrat Conor Lamb einen lange Jahre von den Republikanern gehaltenen Sitz erobern konnte.

Prozess der "Trumpisierung"

Bei den Republikanern ist unterdessen ein Prozess der "Trumpisierung" feststellbar. Bei zahlreichen Vorwahlen setzten sich jene Kandidaten durch, die vom US-Präsidenten favorisiert werden. Beobachter glauben, dass sich die "Grand Old Party" Schritt für Schritt ihrem Präsidenten unterordnet - bis zur Selbstaufgabe. Denn viele wichtige Parteispender haben den Republikanern mittlerweile erbost den Rücken gekehrt.