Wien. In so gut wie allen Wiener Gemeindebezirken schießen auf Marihuana-Produkte spezialisierte Geschäfte wie Schwammerl aus dem Boden. Die Traditionskonditorei Aida bäckt Gras-Brownies und baut ihr Cannabis-Backwarensortiment stetig aus. Der neuste Clou nennt sich "Dr. Greenthumb": Beim ersten Cannabisautomaten Wiens - österreichweit gibt es bereits an die 20 - kann man sich auf der Mariahilfer Straße CBD-Öl oder -Gras aus dem Automaten drücken. Man könnte meinen, in Österreich sei Marihuana legalisiert worden. Das stimmt nicht ganz: Es ist nur legal, wenn der psychoaktiv wirkende Inhaltsstoff THC die geringe Dosis von 0,3 Prozent nicht übersteigt.
Cannabis besteht aus zwei Wirkstoffen: Aus Tetrahydrocannabinol (THC), das eine berauschende Wirkung hat, und aus Cannabidiol (CBD), das vor allem entspannt. Raucht man also CBD-Gras oder nascht "grüne Brownies" von der Aida, wird man davon nicht high. Bestenfalls stellt sich Entspannung ein. Im schlimmsten Fall, wie beim Selbstversuch in der Aida, spürt man keinen Effekt.
Mehr als 200 CBD-Vertriebe
"Es tritt eine körperliche Entspannung ein, man wird aber nicht high, sondern bleibt völlig klar im Kopf. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Man denkt positiver", beschreibt Bernhard Spahn die Wirkung von CBD. Seit Juni 2018 betreibt der ehemalige Sozialpädagoge die "Hanfansage". Der CBD-Shop im zweiten Bezirk ist einer von dutzenden neuen Verkaufsstellen in Österreich.
"Heute gibt es mehr als 200 Hanf-Shops in Österreich, und es werden täglich mehr", sagt Josef Prirschl, Obmann der Tabaktrafikanten in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zur "Wiener Zeitung". Doch Hanf-Shop ist nicht gleich Hanf-Shop: Im Unterschied zu Head- und Grow-Geschäften bekommt man in CBD-Geschäften keine Hanfpflanzen.
Da die türkis-blaue Regierung den Verkauf von Stecklingen verbieten will, setzen aber auch Grow-Shops immer mehr auf legale CBD-Produkte. Die CBD-Vertreiber wiederum wollen sich vom Kiffer-Image abheben. In den meisten Läden sind die Oberflächen glatt und die Einrichtung fast klinisch weiß - Jamaica-Fahnen und Bob-Marley-Porträts sucht man vergebens. Einzig das omnipräsente Hanfblatt erinnert daran, womit man es hier zu tun hat.
Kunden: Bobos und Senioren
Spahn teilt seine Kundschaft in zwei Gruppen: "Gesundheitsbewusste Bobos", die eher zu CBD-Blüten greifen, und "ältere Damen mit körperlichen Beschwerden". Bei medizinischem Marihuana sind Senioren die am stärksten wachsende Kundengruppe: Oft haben sie noch nie in ihrem Leben einen Joint geraucht, aber von den schmerzlindernden Eigenschaften des Cannabis-Krauts gehört. Begeistert berichtet Spahn von einer Krebspatientin im Wechsel, deren Symptome sich durch die Einnahme von CBD innerhalb kürzester Zeit gebessert hätten. Die Dame zählt seither zu seiner Stammkundschaft.