Wien. Der Begriff "leistbares Wohnen" ist seit Jahren fester Bestandteil des politischen Diskurses in der Bundeshauptstadt, sei es im Rahmen einer sachlichen Diskussion oder als Kampfrhetorik. Mietrechtsreformen werden insbesondere von Sozialdemokratie, Grünen und ihnen nahestehenden Organisationen wie der Arbeiterkammer regelmäßig gefordert, in der Endphase des Nationalratswahlkampfes 2017 drohte die Wiener Stadtregierung sogar mit Volksentscheid.
Klassische diskutierte Stellhebel sind die Abwälzung der Maklerprovision auf die Vermieter, eine Deckelung des Mietzinses oder - wie jüngst von der designierten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gefordert - eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Mieten. Der Begriff "leistbares Wohnen" hat es mittlerweile sogar in die aktuelle Novelle der Wiener Bauordnung geschafft. Nämlich als das Bedürfnis der Wiener nach "zeitgemäßem und leistbarem Wohnen" - freilich, ohne genau zu definieren, was leistbar bedeutet.
Trotzdem sind Bauordnungen und zahllose Richtlinien und Standards im Wohnbau als potenzielle Kostentreiber hingegen ein weniger prominentes Thema. Dabei gäbe es hier mehr als genug zu diskutieren. Denn neben der Wiener Bauordnung sind auch die Richtlinien des Österreichischen Instituts für Bautechnik ausschlaggebend, da sie durch die Wiener Bautechnikverordnung verbindlich sind.
Darüber hinaus sind eine Vielzahl an Normen bis hinab zu Baudetails und einzelnen Bauteilen sowie harmonisierte EU-Normen zu berücksichtigen, wird bei der Baupolizei MA37 auf Anfrage betont. "Wie bei allem braucht es auch bei Baunormen, ihren Kosten und ihrer Zeitgemäßheit eine sachliche Diskussion. Diese ist oft nur schwer möglich, da viele Debatten emotional geführt werden", meint Erich Kern, Präsident der Ziviltechnikerkammer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Kritik an bestimmten Normen als Kostentreiber, wie dem verpflichtenden Aufzugbau ab zwei Stockwerken, wie sie jüngst Karl Wurm, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauträger geäußert hat, kann Kern nachvollziehen, er möchte sich aber nicht auf bestimmte Regelungen festlegen.
"Gold Plating" bei Förderrichtlinien
Außerdem betreffen Baunormen und Richtlinien als Kostenfaktor nicht nur den geförderten Wohnbau, auch wenn dieser oft in den Fokus der Diskussion rückt. In Wien drückt die hohe Anzahl an Gemeindewohnungen sogar die durchschnittlichen Wohnkosten. Diese betrugen Ende 2017 laut Statistik Austria 7,99 Euro pro Quadratmeter, im Vergleich zu 2007 eine Steigerung um 41 Prozent. Wien weist damit aber immer noch die vierthöchsten Durchschnittsmieten hinter Salzburg (9,17 Euro), Vorarlberg (8,80 Euro) und Tirol (8,47 Euro) auf. Laut Daten des Portals immowelt.at betrugen hingegen die durchschnittlichen privaten Mietkosten in Wien 13,10 Euro pro Quadratmeter. Damit ist die Donaumetropole nur um zehn Cent billiger als Spitzenreiter Salzburg.