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Rückstau in den Bezirksgerichten

Von Karl Ettinger

Politik

Richterpräsidentin schlägt Alarm, Wiener müssen aus Mangel an Kanzleipersonal länger auf Entscheidungen warten.


Wien. Akten bleiben liegen. Es dauert vier bis fünf Wochen, bis Gerichtsentscheidungen von der Justiz endgültig erledigt und verschickt werden können. Wegen Überlastung des Kanzleipersonals werden bisweilen Ladungen zu Gerichtsverhandlungen falsch zugestellt, bei Grundbucheintragungen kommt es zu Verzögerungen.

Für die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, hat der Engpass beim Kanzleipersonal mittlerweile eine neue Dramatik erreicht - speziell auch an den Bezirksgerichten in Wien. "Wir stoßen jetzt an eine Grenze", warnt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Es kracht und grammelt überall."

Richter- und Justizvertreter haben bereits im vergangenen Jahr gegen den Sparkurs der Bundesregierung protestiert. Während es aber bei den Richterposten Ausnahmen gibt, spitzt sich die Misere bei den Kanzleibediensteten zu, die wichtige Zuarbeit für die Rechtsprechung leisten. Das bekommt in den Wiener Bezirksgerichten die Bevölkerung unmittelbar zu spüren. Das Fehlen von genügend Personal führt zu einer noch höheren Belastung der vorhandenen Mitarbeiter, schildert die Richterpräsidentin. All das wirkt sich direkt auf den Parteienverkehr aus.

Probleme bei den Gerichtenin Liesing und Hernals

Besonders angespannt ist die Situation schon jetzt im Bezirksgericht Liesing. Ebenfalls größere Probleme gibt es beim Bezirksgericht Hernals. "Es spürt jeder in unterschiedlicher Ausformung", analysiert die Präsidentin der Richtervereinigung.

Auf die prekäre Lage macht auch der Vorsitzender Justiz in der Beamtengewerkschaft, Gerhard Scheucher aufmerksam. "Wir sind im Justizbereich, wenn ich eine funktionierende Justiz haben will, wie sie bisher funktioniert, zwei Minuten nach zwölf. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas tun", sagte Scheucher am Montag gegenüber ORF Wien.

Abgänge haben den Personalmangel in den vergangenen Monaten noch verschärft. Allein im Sprengel des Wiener Oberlandesgerichts haben bis Ende des Vorjahres rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Justizwesen verlassen. Österreichweit wird der Aderlass mit 60 Kanzlei- und Schreibkräften beziffert.

Ein Grund dafür ist, dass jüngere Bedienstete in der Justiz die Möglichkeit genützt haben, in das Finanzministerium und in das Innenministerium zu wechseln. Damit haben sie einerseits die "Flucht", wie es Matejka formuliert, vor der hohen Arbeitsbelastung im Justizbereich angetreten und andererseits auch ein günstigeres Angebot im öffentlichen Dienst erhalten. Daneben kämpft die Justiz wie der gesamte Bundesdienst damit, dass sich viele Mitarbeiter in die Pension verabschieden. Es wird nur jede dritte frei werdende Stelle nachbesetzt, Richter sind davon aber ebenso wie etwa Polizisten ausgenommen worden.

Die Aussichten auf eine Änderung sind wenig rosig. Der Finanzrahmen der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung schreibt den Sparkurs beim Personal für die kommenden Jahre fort. In den vergangenen zwei, drei Jahren wurde im Justizbereich versucht, mit verschiedenen Maßnahmen die Problematik durch fehlendes Kanzleipersonal abzufedern.

Richterchefin Matejka erinnert die Bundesregierung daran, es habe nach Protesten im vergangenen Jahr die Zusage für weitere Verhandlungen gegeben. Ein konkreter Gesprächstermin mit Justizminister Josef Moser ist allerdings vorerst ausständig. Die Zeit wird knapp. Denn noch im heurigen Frühjahr wird die ÖVP-FPÖ-Regierung den Finanzrahmen des Staates für fünf Jahre verlängern und außerdem ein Doppelbudget für 2020/21 festlegen.

Justizministerium verweistauf Budgetverhandlungen

Im Justizministerium ist man sich der angespannten Personalsituation bewusst, die allerdings nicht nur bei den Bezirksgerichten besteht. Für Ressortchef Moser geht es in den kommenden Wochen darum, mit Finanzminister Hartwig Löger über das Budget und damit auch über den Stellenplan für die Jahre 2020 und 2021 einig zu werden. In seinem Ressort wurde daher am Montag auf Anfrage auf die noch ausständigen Budgetverhandlungen verwiesen. Diesen wollte man durch öffentliche Festlegungen nicht vorgreifen.

An den Bezirksgerichten werden im Zivilrecht Rechtsangelegenheiten bis zu einem Streitwert von 15.000 Euro entschieden. Die Bezirksgerichte sind vor allem auch für Streitfälle im Familien- und Mietrecht zuständig. Im Strafrecht liegt die Entscheidung bei Verfahren, in denen es nur um Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu höchstens einem Jahr geht.