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Ludwig auf Sicherheits-Rallye

Von Daniel Bischof

Politik

Kaum prescht die Bundesregierung in Sicherheitsthemen vor, flitzt ihr Bürgermeister Michael Ludwig nach. Eine Analyse.


Wien. Ganz Wien zur Waffenverbotszone machen, die Sicherungshaft auch für Österreicher einführen, IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft entziehen: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) stürzt sich derzeit auf Sicherheitsthemen. Kaum prescht die schwarz-blaue Bundesregierung vor, flitzt Ludwig ihr hinterher. Nicht selten überholt er sie dabei.

So stand diese Woche das Video eines IS-Kämpfers im Fokus: Der junge Mann, der von kurdischen Soldaten in Syrien festgenommen worden war, gab darin an, Wiener zu sein. Das Innenministerium bestätigte: Es handelt sich um einen österreichischen Staatsbürger mit türkischen Wurzeln. Er könnte der erste IS-Kämpfer aus Österreich sein, den die Kurden gefasst haben. Laut Verfassungsschutz befinden sich noch rund 100 IS-Kämpfer aus Österreich in Syrien und im Irak.

Das Video ist heikel, wird doch diskutiert, wie man mit österreichischen IS-Kämpfern, die zurückkehren wollen, umgehen soll. Nehmt sie zurück, fordern die USA. Man sei den Amerikanern für den Kampf gegen den IS dankbar, bei der Rücknahme von IS-Kämpfern aber "sehr zurückhaltend", so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Sicherheit der Bevölkerung gehe vor. Schärfer formulierte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ): "Wir werden diese Menschen nicht zurückholen."

"Wir warten nicht"

Ludwig zischte mit. Er wies die zuständige MA35 der Stadt Wien an, den Fall des jungen Mannes zu prüfen. Wien könnte ihm nun die Staatsbürgerschaft entziehen - denn für die Vollziehung des Staatsbürgerschaftswesens ist das Land zuständig. Er wolle mit dem Verfahren "ein deutliches Zeichen setzen", so Ludwig. Das Innenministerium müsse rasch eine Lösung für zurückkehrende IS-Kämpfer finden. Wien werde bereits aktiv: "Wir warten nicht."

Lange wartete Ludwig auch nicht, um sich in die Debatte über die Sicherungshaft einzubringen. Diese solle, falls sie komme, auch für Österreicher gelten, schloss er sich der Forderung des burgenländischen Landeshauptmanns Hans-Peter Doskozil (SPÖ) an. "Für ein Opfer eines Gewaltverbrechens spielt es keine Rolle, woher der Täter kommt", so Ludwig.

Dieser Vorstoß wurde von Birgit Hebein, der Neo-Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, abgelehnt: "Mit diesem Sicherheitspopulismus muss endlich Schluss sein." Pamela Rendi-Wagner, Bundesparteivorsitzende der SPÖ, kritisierte, dass die Partei aufgrund von Doskozils Aussagen nicht zu einer gemeinsamen Linie gefunden habe. Und auch die Bundesregierung meldete sich zu Wort. Doskozils und Ludwigs Vorschlag sei "menschenrechtswidrig" und "viel weitreichender als das, was wir angedacht haben", sagte Kurz.

Zuvor hatte sich Ludwig mit Kickl im Jänner ein Rennen geliefert. "Ich würde mir mehr Unterstützung für die Wiener Polizei wünschen", sagte er. Es brauche mehr Polizisten und eine bessere Ausgestaltung der Polizeiinspektionen. Ludwig bot dem Bund an, die Polizei in die Zuständigkeit der Stadt zu übernehmen.

Ein "Faschingsscherz"

Die Organisation und Führung der Bundespolizei ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Der Landeshauptmann hat kaum einen rechtlichen Spielraum. Zwar kann er mit ortspolizeilichen Verordnungen gegen lokale Missstände vorgehen. "Um weltbewegende Dinge geht es dabei aber nicht", sagt der Verfassungsjurist Theo Öhlinger. Das Alkoholverbot beim Praterstern basiert etwa auf einer solchen Verordnung. Die rechtliche Macht sei in der Sicherheitspolitik klar zugunsten des Bundes verteilt, betont Öhlinger. Daran will Kickl nicht rütteln. Er nannte Ludwigs Angebot einen "Faschingsscherz".

Auch seine Forderung, Wien zu einer Waffenverbotszone zu machen, brachte Ludwig nicht über die Runden. Denn die Landespolizeidirektion kann rechtlich nur einzelne Kriminalitäts-Hotspots zu solchen Zonen erklären - die "Wiener Zeitung" berichtete.

Die Wiener Polizei erließ daher nur zwei Zonen, die Bereiche beim Praterstern und den Donaukanal-Treppelweg betreffen. Ludwig blieb aber auf seiner Spur. "Entweder gar nichts oder alles", sagte er. Wenn das rechtlich unmöglich sei, müsse der Bund eben die Gesetze ändern.

Ludwigs Bestreben, sich als Law-and-Order-Bürgermeister zu inszenieren, birgt Chancen und Gefahren. Mit dem Sicherheitsthema lassen sich Wahlen gewinnen. Der nächste Urnengang in Wien steht 2020 an. Dieser strengere Kurs könnte besonders jenen Wählern gefallen, die die SPÖ an die FPÖ verloren hat.

Kollision mit Bundespartei

Obwohl sich die Wiener Grünen durchaus kritisch zu Wort melden, zeichnet sich ein ernsthafter Koalitionsclash nicht ab. Zu einer Kollision könnte es schon eher mit der SPÖ-Bundespartei kommen. Sie sucht nach Erfolgsrezepten und einer gemeinsamen Linie gegen die Bundesregierung: Vereinzelte Vorstöße in heiklen, sicherheitspolitischen Fragen könnten da wenig hilfreich sein.

Eine Gelegenheit für Absprachen gibt es nächste Woche: Am Donnerstag und Freitag trifft sich die Wiener SPÖ im Burgenland zur Klubtagung. Zum Auftakt sind interne Workshops vorgesehen, am zweiten Tag wird Rendi-Wagner das Wort ergreifen.