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Justiz bremst Heumarkt-Projekt

Von Daniel Bischof und Alexander U. Mathé

Politik

Bundesverwaltungsgericht verlangt, dass Bauvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss.


Wien. Das umstrittene Bauprojekt am Heumarkt muss einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am Dienstag entschieden. Bei der Wertinvest Hotelbetriebs GmbH des Unternehmers Michael Tojner, die den Bau betreibt, ist man nach dem Urteil außer sich. Die Firma hat angekündigt, sich nun an den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof wenden zu wollen. Verfassungsrechtler Theo Öhlinger erklärte gegenüber der "Wiener Zeitung", dass die Gerichtsentscheidung gut begründet und schlüssig sei. Er räumte dem Erkenntnis gute Chancen ein, auch vor den Höchstgerichten zu halten.

In der Entscheidung gab das BVwG der Beschwerde von Anrainern und der Umweltschutzorganisation "Alliance For Nature" Folge. Sie hatte sich gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung gerichtet, in dem entschieden wurde, dass für das Heumarkt-Projekt kein UVP-Verfahren durchzuführen sei. Die Projektgegner sind anderer Ansicht: Sie beanstandeten unter anderem, dass die Überschwemmungsgefahr steige, durch die Vergrößerung der Parkgarage die Luftverschmutzung zunehme, ein Teil der Lothringerstraße neu errichtet werde und daher ein UVP-Verfahren sehr wohl notwendig sei.

Wertinvest bekämpft Entscheid

Während sie bei diesen Punkten kein rechtliches Gehör fand, war es ein anderer Vorwurf, der verfing. Nämlich jener, dass das Vorhaben die "Unesco-Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien" beeinträchtige. "Das Vorhaben stellt im Fall seiner Realisierung aufgrund von Masse und Bauhöhe eine wesentliche Störung der historischen Skyline dar", erklärte das BVwG. Damit widerspreche es den Ernennungskriterien des Welterbeareals "Historisches Zentrum von Wien". Das BVwG hält daher in seinem Erkenntnis fest: "Für das Vorhaben ,Hotel InterContinental‘, ,WEV‘ und ,Heumarktgebäude‘ im 3. Wiener Gemeindebezirk ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen."

Die Wertinvest kündigte an, die Entscheidung zu bekämpfen: "Wir werden jetzt direkt VfGH und VwGH anrufen, um so zu einer abschließenden Klärung der Rechtslage zu kommen", erklärte Projektleiterin Daniela Enzi.

Die Causa wird also noch die Höchstgerichte beschäftigen, das BVwG hat ausdrücklich die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Für die Wertinvest ist bereits jetzt klar: "Das Erkenntnis basiert auf einer für uns nicht nachvollziehbaren Auslegung der geltenden Rechtsnormen. Der zuständige Richter hat ein rechtswidriges Verfahren durchgeführt."

Der rechtliche Hintergrund: Das österreichische UVP-Gesetz wurde erlassen, um eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Diese Richtlinie schreibt UVP-Prüfungen bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vor. Das Gericht ist aber der Rechtsansicht, dass die Vorgaben der Richtlinie im UVP-Gesetz nur unzureichend umgesetzt wurden.

Schwellenwert oder Prüfung

Grundsätzlich gibt die EU zwei Möglichkeiten vor: Entweder die Staaten legen Schwellenwerte fest, ab denen ein Projekt UVP-pflichtig ist (beispielsweise: "Ab einer Größe von x Quadratmetern ist zu prüfen"). Oder es wird bei jedem Projekt im Einzelfall geklärt, ob eine UVP-Pflicht besteht.

In Österreich hat man gelegentlich einen für die EU zu legeren Zugang, so gesehen beispielsweise im Streit um den Flughafen Salzburg. Die Behörden hatten für die Errichtung eines zweiten Terminals keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, weil das österreichische Gesetz diese erst vorsah, wenn dadurch ein Anstieg auf mehr als 20.000 Flugbewegungen zu erwarten sein - was beim Flughafen Salzburg nicht der Fall war.

Allerdings war dieser Grenzwert nicht im Sinne des EU-Rechts. Denn bei diesem Grenzwert wären kleine Flughäfen praktisch nie UVP-pflichtig (theoretisch hätte der Gesetzgeber auch 500.000 Flugbewegungen vorgeben können). Der EuGH entschied daher, dass sehr wohl eine Prüfung durchzuführen sei.

Projekt zwei Jahre auf Eis

Ähnliche Probleme zeigen sich aus Sicht des BVwG beim Heumarkt-Projekt. Denn der Gesetzgeber habe nicht festgelegt, ab wann bei Projekten, welche das schutzwürdige Unesco-Welterbe betreffen, eine UVP-Prüfung durchzuführen sei. Daher, so der Umkehrschluss, sei jedenfalls eine Einzelfallprüfung durch die Behörden vorzunehmen. Und diese Prüfung habe eben ergeben, dass das Projekt das Unesco-Welterbe beeinträchtige, so das Gericht.

Von Seite der Stadt Wien gab es keine Stellungnahme. Erfreut zeigte sich Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP): "Wir sind der Rettung des Weltkulturerbes einen Schritt nähergekommen." Die Entscheidung und deren Anfechtung dürfte das millionenschwere Bauvorhaben zwischen verteuern und verzögern.

Allerdings hatte die Stadt Wien das Projekt nach Veröffentlichung eines kritischen Berichts des internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos für eine zweijährige "Nachdenkpause" ohnedies auf Eis gelegt.