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Die gespaltene Klimapolitik der Stadt

Von Christian Rösner

Politik
© Illustration: Moritz Ziegler

Innerhalb der rot-grünen Stadtregierung dürfte jeder sein eigenes Süppchen kochen. Der Wahlkampf in Wien scheint mit dem Thema Hitze zu starten - noch auf kleiner Flamme.


Wien. Wie berichtet, hat Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin Birgit Hebein (Grüne) eine Klimaschutzkarte erstellen lassen, um zu sehen, wo Maßnahmen gegen Hitzeinseln umzusetzen sind. Die Karte soll zeigen, wo es am heißesten ist, wo es am wenigsten Grünraum gibt und wo die meisten Kinder und alten Menschen wohnen - also jene Personengruppen, die im Sommer am meisten unter der Hitze leiden. In Favoriten, Ottakring, Landstraße und Margareten leben der Studie zufolge 47.000 von der Hitze besonders stark Betroffene, also Kinder und ältere Menschen.

Die Hitzekarte soll nun der Stadt helfen, Maßnahmen auf die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerungsgruppen zuzuschneiden, wie die Vizebürgermeisterin betonte. Bereits morgen, Freitag, will Hebein die erste Maßnahme präsentieren, die aus den Daten der Hitzekarte abgeleitet wurde.

Externe Studie

Diese Hitzekarte wurde im Auftrag der Vizebürgermeisterin von einem tschechischen Start-up und der bei ihr ressortierenden MA 20 (Energieplanung) erstellt - obwohl es bereits mit der im Frühjahr 2018 präsentierten "Coin"-Studie sehr ähnliche Hitzekarten mit Prognosen bis zum Jahr 2100 von Wien gibt. "Coin" wurde bereits 2015 vom österreichischen Netzwerk der Klimaforschung "CCCA" unter Einbindung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik sowie der Universität für Bodenkultur für ganz Österreich erstellt und im Frühjahr 2018 auf Wien heruntergebrochen präsentiert.

Datengrundlage für die "Coin"-Studie waren unter anderem Hitzetage, hitzebedingte Sterbefälle und Bevölkerungsentwicklung. Die stadtbezogene Studie wurde von der Wiener Klimaschutzkoordinatorin Christine Fohler-Norek in Auftrag gegeben.

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Laut dem Büro von Hebein sind die Karten aber nicht miteinander vergleichbar, da bei "Coin" nicht auf die Altersverteilung in den Zielbezirken der Menschen eingegangen wird. "Die Datengrundlage für die aktuellen Hitzekarten sind satellitenbasierte Temperaturdaten der vergangenen fünf Jahre, Vegetations- und Wasserdaten (ebenfalls via Satellit Anm.) sowie die Bevölkerungsprognosedaten der Stadt Wien von 2014 bis 2024", hieß es am Mittwoch.

Aber weder Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ), noch die bei ihr ressortierende MA 22 (Umweltschutzabteilung) wurden dabei eingebunden, obwohl die MA 22 über unzählige themenrelevante Daten verfügen würde - wie etwa das Grünraum-Monitoring der Stadt. Es gibt sogar einen eigens von der MA 22 ausgearbeiteten "Urban Heat Island-Strategieplan", der seit dem Jahr 2017 kontinuierlich umgesetzt wird.

Einmal mehr entsteht der Eindruck, als würde die rot-grüne Stadtregierung in Sachen Klima nicht an einem Strang ziehen. Schon kurz nachdem Sima bei der SPÖ Klubklausur im März ihr "Cooling off"-Paket für die Stadt präsentiert hatte - Erhebung aller Hitzeinseln, weitere Fassadenbegrünungen, Baumpflanzungen, Brunnenoffensive, mehr Parks, zusätzliche Wasserflächen, Nebelduschen im öffentlichen Raum usw. - kündigte Hebein "ihre" Offensive an: Sie sprach von einem "Fünf-Jahres-Plan", um städtische Hitzepole zu entschärfen: Nach der Erhebung aller Hitzeinseln sollte diesen mit den "drei Bs" - "Bankerl, Bäume, Brunnen" - der Garaus gemacht werden. Obwohl grüne und rote Vorhaben kaum voneinander zu unterscheiden waren, kritisierte Hebein sogar die Pläne des Koalitionspartners als "Einzelmaßnahmen".

Parallelstrukturen

Von der aktuellen Hitzekarte Hebeins hat selbst die Wiener Klimaschutzkoordinatorin Christine Fohler-Norek nur über die Medien erfahren. Insider verweisen auf die bevorstehenden Wahlen - Nationalratswahl Ende September, Wien-Wahl im kommenden Jahr: "Da will halt jeder zeigen, was er an Leistungen alles erbracht hat und in Zukunft erbringen wird". Vor allem habe Hebein den Klimaschutz zu einem ihrer Hauptthemen gemacht. "Das wird sie eben an sich ziehen wollen". Für den Steuerzahler bleibt es aber trotzdem schwierig erklärbar, warum hier innerhalb einer Stadtregierung teilweise Parallelstrukturen geschaffen werden.

Tatsache ist, dass gegenwärtig bereits viele Maßnahmen umgesetzt werden - und zwar auf Basis von Gemeinderatsbeschlüssen, die von Rot-Grün gemeinsam vollzogen wurden: zum Beispiel der Fördertopf über 2,3 Millionen Euro für die Bezirke.

Mit ihm können Projekte finanziert werden, um den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen - wie eben Begrünungsmaßnahmen, ein Regenwasser-Management, das Wasser natürlich im Boden versickern lässt, Maßnahmen für Wasserspeicher unter Bäumen, Beschattung durch Pergolen, freistehende Rankenemente, Staudenbeete, Nebelduschen oder freie Wasserflächen in den Grätzln usw. Konkret übernimmt hier die Stadt 80 Prozent der Kosten, der Bezirk die restlichen 20 Prozent. Die Förderung läuft bis Ende 2020. Bereits im Juli wurden an 42 Standorten in Parks der Wasserschläuche mit Düsen und Sprühnebel errichtet.

Neue Maßnahme

Außerdem werden Fassaden- Dach- und Innenhofbegrünungen heuer zusätzlich mit 500.000 Euro gefördert. Für die Neupflanzung von Bäumen wurde ein Sonderbudget von acht Millionen Euro beschlossen. Morgen, Freitag, soll nun eine weitere Maßnahme bekannt gegeben werden. Aber die dürfte mit der Stadtregierung an sich wenig zu tun haben.