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Klimaforscherin: "Es fehlt ein Gesamtkonzept"

Von Daniel Bischof

Politik

Grüne und SPÖ überbieten sich mit punktuellen Maßnahmen gegen Hitze. Für Helga Kromp-Kolb ist das zu wenig.


Wien. Da ein Termin, dort eine Pressekonferenz, hier eine neue Maßnahme: Bei der Vorherrschaft um das Klimathema liefern sich die Wiener Grünen und die SPÖ derzeit ein rasantes Duell. Erst am Montag stellte Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) begrünte Wartehäuschen vor: Bei fünf Haltestellen werden sich künftig Kletterpflanzen emporranken. Zugleich erklärte der Wiener SPÖ-Klubvorsitzende Josef Taucher in der "Presse", dass man in Gemeindebauten "Airships" aufstellen wolle. Dabei handelt es sich um Kühlzelte voller Pflanzen samt Sprüh- und Verneblungstechnik.

Die Grünen lassen nicht lange auf sich warten: Sie laden heute, Mittwoch, zu einem Fototermin zum "Spatenstich für die Kühle Meile Zieglergasse". Nebelduschen, Bäume, helle Pflasterung und Wasserstellen sollen in der Straße für Abkühlung sorgen.

Es sind nur weitere Sprints in einem Rennen, das sich bereits seit Monaten zieht. Mit Hitzekarten, Wanderbaumalleen, Begrünungen und verkürzten Lieferzeiten für Erdäpfel präsentieren die Grünen und die SPÖ im Wochentakt Maßnahmen gegen die Hitze.

"Tagesaktuelle Zurufe"

Denn die Landesparteien mischen im Nationalratswahlkampf, in dem das Klima eines der bestimmenden Themen ist, mit. Damit soll nicht nur die Bundespartei unterstützt werden, mit einem guten Ergebnis soll auch Schwung für die Wien-Wahl 2020 gesammelt werden. Die Wiener Grünen haben ihre Landeliste für die NR-Wahl dementsprechend gestaltet: Sie wählten Quereinsteiger Lukas Hammer, Ex-Sprecher von Greenpeace, zum Listenersten.

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb sieht die Gefahr, dass das Thema im Wahlkampf zunehmend zu PR-Zwecken missbraucht wird: Die Parteien würden sich auf "tagesaktuelle Zurufe" und "punktuelle Maßnahmen" in der Klimapolitik konzentrieren: "Es fehlt aber ein Gesamtkonzept", kritisiert die emeritierte Professorin der Universität für Bodenkultur.

Kromp-Kolb nimmt alle Parteien in die Verantwortung: Die ÖVP habe bisher nur Zielvorgaben präsentiert, wie etwa, dass die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen sind: "Das ist schön, zu dem wird jeder ,Ja und Amen‘ sagen. Aber mit welchen Maßnahmen soll das passieren - und woher kommen die Mittel?" Es brauche eine "nationale Kraftanstrengung": "Die erreicht man schlecht, wenn man sich gegenseitig zu überbieten versucht." Bewegung in dieser Richtung deutet sich an. SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner verlangte am Dienstag einen nationalen Klimakonvent auf parlamentarischer Basis und einen "Schulterschluss" beim Klimathema.

Neben Anpassungen an die steigenden Temperaturen seien auch Maßnahmen zur Minderung des Anstiegs nötig, so Kromp-Kolb. Hier könne auch die Stadt Wien einen Beitrag leisten. "In Wien tut sich einiges, aber es lässt sich noch viel machen." Zu wenige Dächer in Wien seien noch mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, weit mehr Häuser könnten isoliert werden.

Insbesondere der Individualverkehr müsse noch weiter zurückgedrängt werden. Als Vorbild sieht sie in diesem Bereich Städte wie Seoul: "Dort wurde eine der stärksten Verkehrsadern - eine mehrspurige Autobahn, die renoviert werden hätte müssen - einfach aufgelassen und zu einem Park umgewandelt. Die Stadt hat das bestens verkraftet."

Vertreter der Wirtschaftskammer forderten am Dienstag aber, dass es keine weiteren Belastungen aufgrund von klimapolitischen Maßnahmen für die noch verbliebene Industrie in Österreich geben dürfe. Stattdessen müsse die Produktion von Industrieprodukten in Österreich forciert werden. Denn nach einer Studie des Instituts für Ökologie wirke sich die Produktion in Österreich positiv auf das weltweite Klima aus: Aufgrund von Technologie, Effizienz und des Energiemixes würden deutlich weniger Treibhausgasemissionen als in anderen Ländern anfallen.