Städte werden im neuen Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission mit keinem Wort erwähnt. Nicht nur in den Metropolen ist die Sorge groß, dass damit die mitunter wichtigsten Leistungsträger in Europa links liegen gelassen werden. Denn immerhin leben mehr als drei Viertel der europäischen Bevölkerung in Städten. Zwei von drei Jobs gibt es in Städten. Weltweit entfallen fast drei Viertel des Energieverbrauchs auf Städte. Wenn es um Themen wie Integration, Klimaschutz oder Daseinsvorsorge geht, dann führt der Weg direkt über die Städte. EU-Abgeordnete aller Couleurs kritisieren die mangelnde Beachtung, die die Kommission den Städten geschenkt hat. Sie versuchen nun, über andere Kanäle die Belange der Städte auf das Tagesprogramm der EU-Politik zu bringen.

"Das ist bisher sehr enttäuschend, was von der neuen EU-Kommission auf urbaner Ebene gekommen ist", sagt Monika Vana. "Dabei gehören Städte zu den wichtigsten Akteuren in Europa und noch zu den handlungsfähigsten. Städte sind teilweise die Einzigen, die noch Geld haben, das die Mitgliedstaaten schon lange nicht mehr haben", erklärt die Abgeordnete der Grünen im Europaparlament. "77 bis 80 Prozent der Menschen in Europa leben in Städten. Trotzdem gibt es nicht so etwas wie einen Kommissar für Stadtpolitik", beklagt Andreas Schieder von den Sozialdemokraten. "Ich finde es gut, dass die Europäische Kommission die erste geopolitische sein will, aber ich kritisiere, dass die Städte nicht wörtlich im Arbeitsprogramm der EU-Kommission aufscheinen", sagt wiederum Lukas Mandl von der Volkspartei.

MEP EPP - Lukas Mandl: "Es geht auch um Digitalisierung und darum, Künstliche Intelligenz in Städten zu nutzen." evp/Lahousse
MEP EPP - Lukas Mandl: "Es geht auch um Digitalisierung und darum, Künstliche Intelligenz in Städten zu nutzen." evp/Lahousse

Das Problem der Städte ist, dass die EU für sie von Gesetzeswegen und rein formal blind ist. Während die Regionen einen eigenen Ausschuss haben (in dem auch die Städte vertreten sind) und es mit der Portugiesin Elisa Ferreira eine eigene Regionalkommissarin gibt, haben die Städte keine eigene EU-Institution. Sie sind daher auf Vernetzung mit und Lobbying bei Entscheidungsträgern angewiesen, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen, und darauf, dass die Europäische Kommission als Gesetzgeber die urbanen Probleme von sich aus angeht. Nach Letzterem sieht es derzeit aber eben nicht aus. Umso wichtiger werden daher die inoffiziellen Kanäle.

Die Hansson-Siedlung in Wien. In Sachen sozialer Wohnbau sind sich die österreichischen Abgeordneten in der Urban Intergroup einig. - © Stanislav Kogiku
Die Hansson-Siedlung in Wien. In Sachen sozialer Wohnbau sind sich die österreichischen Abgeordneten in der Urban Intergroup einig. - © Stanislav Kogiku

Urban Intergroup ist die städtische "Pressure Group"

Eine dieser Interessensvertretungen ist die Urban Intergroup im Europäischen Parlament. Ihr gehören EU-Abgeordnete aller Länder und Fraktionen an, deren Bestreben es ist, die städtische Agenda voranzutreiben. Unter den 48 Mitgliedern finden sich Prominente wie die ehemalige Handels- und Regionalkommissarin Danuta Hübner und auch fünf Österreicher, darunter Mandl, Vana und mit Schieder auch der Vizepräsident.

"Wenn man eine Städteagenda für die EU will, dann braucht man diese Intergroup. Das ist jetzt die Pressure Group für die städtischen Interessen in Europa", erklärt Schieder. Dementsprechend groß ist der Andrang auf die Gruppe. "Es hat erst eine Sitzung der Urban Intergroup gegeben, aber die war verdammt gut besucht", sagt Lukas Mandl.

Österreicher geeint beim Thema sozialer Wohnbau

Eines der Themen, das allen österreichischen Abgeordneten in der Intergroup ein großes Anliegen ist, ist der soziale Wohnbau. Hier droht über einen Passus im EU-Beihilfenrecht das österreichische System konterkariert zu werden. Demzufolge würden gemeinnützige Wohnungen nur noch den sozial Bedürftigsten zugutekommen. Das wiederum steht im Widerspruch zum seit Jahrzehnten erfolgreichen österreichischen Konzept der sozialen Durchmischung.

"Damit schaffe ich Armutsghettos und wir brauchen genau das Gegenteil", sagt Schieder. "Wir haben in Österreich ein funktionierendes Modell", erklärt Mandl, "das sich nicht nur an die Ärmsten richtet, sondern auch Eigentumsaufbau für den Mittelstand ermöglichen soll. Da hat Österreich europaweit eine Pionierrolle." Noch 2014 hatte der damalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl zum Aufstand gerufen. Wien verfasste die "Resolution zum sozialen Wohnbau in Europa", der sich rund 30 Städte anschlossen - darunter Brüssel, Paris, Rom und Barcelona. Unter der Führung Wiens wurde ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen, die dann letztlich auch in ein europäisches Volksbegehren mündete, das noch bis 18. März läuft. Berichterstatter dafür im Europäischen Parlament ist Lukas Mandl, der sich dort starkmacht für die "Vermeidung von Ghettoisierung und Parallelgesellschaften in den Städten". Und es sieht auch ganz danach aus, dass die Österreicher mit ihrem Anliegen Erfolg haben könnten.