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Wiener Grüne mit zahnloser Parteichefin

Von Bettina Figl

Politik

Der langsame Abgang von Birgit Hebein ist für die Neo-Oppositionspartei womöglich nicht nur schlecht.


Die neue, rot-pinke Stadtregierung kann sich freuen. Die Wiener Grünen, bis vor kurzem selbst Regierungsmitglied, sind derzeit zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie ein ernsthafter politischer Gegner wären. Anstatt den Zusammenhalt innerhalb der Neo-Oppositionspartei zu stärken, tobt ein Machtkampf in den eigenen Reihen. Aber der Reihe nach: Der Eklat hat damit begonnen, dass die Parteivorsitzende und Noch-Vizebürgermeisterin Birgit Hebein am Montag vom Grünen Rathausklub in kein Amt gewählt wurde, obwohl sie für drei Ämter – das der Klubchefin oder als eine von zwei nicht amtsführenden Stadträte – kandidiert hatte.

Eine Männerintrige? Wohl eher nicht

Stattdessen wurden Peter Kraus und die Quereinsteigerin Judith Pühringer zu nicht amtsführenden Stadträten gemacht, und David Ellensohn als Klubchef wiedergewählt. Obwohl auch weibliche Abgeordnete gegen Hebein gestimmt haben, war schnell die Rede von einer Männerintrige, schließlich hatten Ellensohn und Kraus zuvor das Rennen um den Parteivorsitz gegen Hebein verloren. Doch den Wiener Grünen Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen greift zu kurz. Dass Hebein leer ausging, mag zu Irritation bei der Wählerschaft und Teilen der Parteibasis führen, ist aber durchaus selbst verschuldet. Als Hebein am Mittwoch mit der Nachricht überraschte, sie werde ihr Gemeinderatsmandat nicht annehmen, aber Parteivorsitzende bleiben, gestand sie in dem Facebook-Posting selbst ein, sie habe sich "zu wenig um den Aufbau einer Hausmacht im Klub gekümmert".

Ihre Argumentation, sie sei als "Sachpolitikerin an internen Konflikten genauso wenig interessiert wie an den Machtspielchen des Partners in der bisherigen Regierungskoalition" mag bei ihrer Fanbasis gut ankommen. Dass Hebein keinen Wert auf schmutzige Parteipolitik legt, ist aber nur die eine Lesart – die andere lautet, dass sie als Führungskraft versagt hat. Sie sah es nicht als ihre Aufgabe an, sich um interne Befindlichkeiten zu kümmern und hat den Grünen Klub, das Machtzentrum der Partei, quasi sich selbst überlassen. Jetzt wurde ihr die Rechnung dafür präsentiert: im Rennen um den Klubchef setzte sich der amtierende Klubobmann David Ellensohn 14:4 gegen sie durch, beim Stadtratsposten erhielt Peter Kraus 13, Hebein nur drei Stimmen – ein Misstrauensvotum par excellence.

Birgit Hebein, die ewige Außenseiterin

Wie konnte es dazu kommen? Hebein, die ewige Außenseiterin, wollte nicht Teil des Establishments sein und hat sich in der Rolle der Machtpolitikerin nie wohl gefühlt. Auch ihr Weg an die Spitze war ungewöhnlich: 2018 wurde die 53-Jährige Vorsitzende der Wiener Grünen – ein Novum, denn diesen Posten gab es vorher nicht – obwohl sie für die meisten Wähler nur die zweite Wahl war. Nun wurde sie von ihren Konkurrenten von damals, Kraus und Ellensohn, ausgestochen. Dass Hebein bei der Wien-Wahl im Oktober mit fast 15 Prozent das bisher beste Ergebnis der Wiener Grünen eingefahren hat, ist ein Erfolg, dem nachgesagt wird, dass er noch größer hätte sein können, schließlich legen das die Erfolge der Grünen auf EU-Ebene nahe. Auch in Wien hätte die Grüne Partei mehr Potenzial, das Hebein nicht ausgeschöpft habe, meint so manch unzufriedener Grüne.

Eine Fortsetzung der Rot-Grünen Koalition werde es nur mit ihr an der Spitze geben, hat Hebein nach der Wien-Wahl selbstbewusst verkündet – und sich dabei überschätzt. Wie wir wissen hat sich Bürgermeister Michael Ludwig stattdessen für eine Koalition mit den Neos entschieden. Dass das Verhältnis zwischen Hebein und Ludwig kein gutes ist, ist ein offenes Geheimnis, doch für das Ende der Grünen in der Stadtregierung ist nicht nur Hebein verantwortlich. Schon unter ihrer Vorgängerin, Ex-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, gab es wiederholt Spannungen zwischen den Regierungspartnern. Beide Lager warfen sich vor, sich zu wenig abzusprechen, bis es schließlich gar keine Gesprächsbasis mehr gab.

Jetzt sind, zum Leid der Bundespartei, die Fronten auch innerhalb der Wiener Grünen verhärtet. Das Vorgehen des Rathausklubs ist für viele, allen voran die Parteibasis, jedenfalls nicht nachvollziehbar,. Auch Karl Öllinger, ehemaliger Grüner Abgeordnete, kommentierte das Abmontieren Hebeins auf Facebook als "absolut letztklassig! Erbärmlich!" Alev Korun, ebenfalls Ex-Grüne Nationalratsabgeordnete, nennt den Beschluss einen "Riesenfehler (...) Statt einer offenen, transparenten Auseinandersetzung samt Kritik, auch an der Spitzenkandidatin Hebein, wird sie von der Mehrheit der Gemeinderätinnen abgesägt."

Korun kündigt an, dass man am Samstag bei der Landesversammlung "Klartext" reden wird müssen. Vielleicht erfährt man dann auch mehr über die Zukunft Hebeins, die, wie übrigens auch Bundes-Chef Werner Kogler, dort das Wort ergreifen wird.

Dass sie nun als Parteivorsitzende ohne ein weiteres politisches Amt weitermachen will, ist ungewöhnlich und hat zu wilden Spekulationen geführt: Wird sie aus der Partei austreten und etwas eigenes starten, frei nach dem Vorbild des Ex-Grünen Peter Pilz? Gegen diese These spricht, dass Hebein angekündigt hat, sie wolle ihr Mandat nicht annehmen, und die Rolle der "wilden Abgeordneten", die der Partei abtrünnig wird, trauen ihr Insider nicht zu. Es heißt, sie sei zu integer und selbstlos um ein Mandat anzunehmen, wenn daran kein politischer Auftrag geknüpft ist. Hebeins Amtszeit läuft jedenfalls noch bis Ende 2021.

Ellensohn, der "bessere Oppositionspolitiker"

Im Moment sieht es danach aus, als könnte Hebein bis dahin zahnlose Parteichefin bleiben, denn Macht hat sie de facto keine. Dem selbsternannten "Zukunftsteam", dem Dreiergespann Kraus, Pühringer und Ellensohn, wird trotz allem gute Zusammenarbeit prognostiziert. Der politischen Quereinsteigerin Pühringer traut man viel zu – jedenfalls soll sie kein politisches Leichtgewicht sein. Kraus, der dem Realo-Lager zugeordnet wird, kommt bei den linkeren "Fundis" naturgemäß weniger gut an. Der Pragmatiker Ellensohn, der mit jedem gut kann, gilt als Klubobmann als Idealbesetzung, er soll als Oppositionspolitiker "besser und kantiger" sein als Hebein. Also vielleicht freut sich Rot-Pink doch zu früh.