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Leere Wohnungen sollen in Wien kosten

Von Matthias Winterer

Politik

Die Stadt Wien wagt einen Vorstoß bei der Leerstandsabgabe. Und macht Druck auf den Bund.


Wien will Eigentümer von leerstehenden Wohnungen zur Kasse bitten. Wie am Montag bekannt wurde, möchte die rot-pinke Stadtregierung eine Leerstandsabgabe einführen. Und weil die Mietrechtsgesetze in Österreich der Bund macht, schrieben Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) einem Brief an die zuständigen Ministerien. "Es ist dem Regierungsprogramm der Bundesregierung zu entnehmen, dass sowohl eine dringlich notwendige Novelle des Mietrechts, als auch die Bekämpfung von Leerstand im bestehenden Wohnraum als Schwerpunkte der bundesweiten Wohnbaupolitik definiert sind", heißt es in dem Schreiben, das der "Wiener Zeitung" vorliegt. "Die Stadt Wien begrüßt diese Vorhaben", so die Stadträte weiter. Adressiert ist das Schreiben an das Finanz-, Wirtschafts-, Justiz- und Sozialministerium. Wien stehe für Gespräche bereit.

Der Vorstoß der Stadtregierung muss vor historischem Hintergrund betrachtet werden. Anfang der 1980er-Jahre erhob die Stadt schon einmal eine Abgabe für brach liegenden Wohnraum. 1985 stoppte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Steuer. Wien verfüge nicht über die notwendige Gesetzgeberkompetenz, urteilte der VfGH. Daran hat sich bis heute nichts geändert. "Eine Leerstandsabgabe soll Wohnraum mobilisieren und einen Lenkungseffekt haben. Dafür muss sie auch eine gewisse Höhe haben. Und dafür brauchen wir den Bund", heißt es aus dem Büro von Stadträtin Gaal. Wie hoch die Abgabe sein soll, ist unklar. Zahlen will niemand nennen. "Wir wollen das Thema erstmal mit den zuständigen Ministerien diskutieren."

Die Wiener Grünen fordern seit Jahren eine Leerstandsabgabe. Die neue Bereitschaft der Wiener Stadtregierung freut die Grünen. Der Brief an den Bund sieht der grüne Wohnbausprecher Georg Prack allerdings als ein Anschieben der Verantwortung. "Eine moderate Abgabe auf Wohnungsleerstand in Wien ist rechtlich jederzeit möglich. Da muss Wien nicht auf den Bund warten", sagt er. Dass Wien im Vorfeld keine Leerstandserhebung durchführen will, kritisiert Prack auch.

Keine validen Daten

Denn niemand weiß, wie viele Wohnungen in Wien leerstehen. Die letzte Erhebung liegt sechs Jahre zurück. Das Ergebnis: 10.000 Wohnungen standen langfristig leer, 25.000 vorübergehend. Doch die Erhebungs-Methode über das Melderegister war unscharf. Viele Menschen leben in Wohnungen, in denen sie nicht gemeldet sind - und natürlich auch umgekehrt. "Eine Leerstandsquote zwischen zwei und drei Prozent ist wünschenswert", sagt Robert Musil, Humangeograf an der Akademie der Wissenschaften. Der Markt braucht Reserven. In Wien wären das zwischen 20.000 und 30.000 Wohnungen. Die Erhebung bescheinigte der Stadt also eigentlich einen guten Wert, sollte er stimmen. Würden in Wien mehr Wohnungen leerstehen - wie angesichts des Runs auf Eigentumswohnungen als Wertanlage oft vermutet wird -, könnten sie die Mieten allerdings durchaus heben. Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage. Steht mehr Wohnraum zur Verfügung, wird er erschwinglicher.

Die Debatten um Leerstand, die immer wieder aufflammen, schießen für Musil am Ziel vorbei. "Sicher sind viele leerstehende Wohnungen für manche Wiener Grätzel ein Problem. Ein strukturelles Phänomen ist Leerstand in Wien aber nicht. Die Mieten steigen wegen der hohen Bodenpreise und Baukosten, dem starken Zuzug nach Wien, weil privat zu viel im oberen Preissegment gebaut wird. Über diese Probleme sollten wir reden", sagt Musil.

Novelle geplant

Auch im Büro von Gaal ist man sich bewusst, dass eine Leerstandsabgabe nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Sie wird die galoppierenden Mieten am frei finanzierten Wiener Wohnungsmarkt nicht spürbar drücken. "Trotzdem müssen wir das Problem angehen. Viele Wohnungen stehen leer, während viele Menschen Wohnraum suchen", heißt es. "Außerdem wollen wir noch in dieser Legislaturperiode eine große Novelle der Wiener Bauordnung beschließen." Details werden noch keine verraten. "Geförderter Wohnraum wird ein Thema sein. Genauso die Frage, wie wir Mieten im frei finanzierten Sektor abfedern können."