Sind 18 Jahre eine lange oder eine kurze Zeitspanne? Diese Frage stellt man sich angesichts der kernigsten Aussage bei der Präsentation der Wiener Klimaziele am Freitag. Im Rahmen ihrer Klausur hat die rot-pinke Stadtregierung einen "Klimafahrplan" sowie eine "Smart Klima City Rahmenstrategie" vorgestellt – und dabei unter anderem vollmundig verkündet, dass im Jahr 2040 in Wien keine Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr im Einsatz sein sollen.
Der Verkehr ist einer von vielen Bereichen, in denen bis 2040 Klimaneutralität erreicht werden soll. Alternative Energien, Abfallvermeidung oder neue Mobilitätsformen stehen dabei im Fokus. Auch der Ausbau von Fernwärme und die Nutzung der Geothermie ist Teil des Plans. Der Bau einer großen Wärmepumpe, die Energie für mehr als 100.000 Haushalte liefern soll, wird demnächst in der Kläranlage Simmering erfolgen. Weiters soll die Genehmigung von Solaranlagen für Private künftig unkomplizierter gestaltet werden oder teils gar nicht mehr nötig sein. Insgesamt sollen allein in den kommenden zwei Jahren 2,8 Milliarden Euro in klimaschutzwirksame Maßnahmen investiert werden, wobei hier auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs berücksichtigt ist.
Präsentiert wurde das Paket am Freitag von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos), Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) und Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Klimainitiativen, so wurde betont, gibt es jedoch in allen Geschäftsgruppen. Auch die umstrittenen Verkehrsprojekte waren ein Thema. Unter Verweis darauf, dass dreimal mehr Geld in die Öffis als in den Straßenbau fließe, betonte die Stadtregierung einmal mehr, an der umstrittenen Stadtstraße für Aspern festzuhalten – was ihr prompt Kritik von den Grünen einbrachte: Der frühere Koalitionspartner der SPÖ monierte, "sich Klimaziele zu setzen und gleichzeitig milliardenschwere Autobahnprojekte zu planen, das geht einfach nicht zusammen". Klimaschutz könne man nicht in der Theorie betreiben. Natürlich meldete sich auch die "LobauBleibt"-Bewegung zu Wort und warf der Stadt Wien vor, Eigenlob zu betreiben und weit entfernte Ziele für 2040 zu verkünden "und gleichzeitig die Klimazerstörung aktiv voranzutreiben".
Grüne orten "Klima-Papiertiger"
Während den Grünen der Wiener Klimaschutz insgesamt nicht weit genug geht und die Landesparteivorsitzenden Peter Kraus und Judith Pühringer von einem "Klima-Papiertiger" und "altem Wein in neuen Schläuchen" sprachen, warnte die FPÖ vor "Mehrbelastungen unter dem Deckmantel des Klimaschutzes", vor allem für Autofahrer. Man werde SPÖ und Neos "ganz genau auf die Finger schauen", kündigten Stadtrat und Landesparteichef Dominik Nepp und Umweltsprecher Udo Guggenbichler an. Sie bezeichneten den Wiener "Klimafahrplan" als in "manchen Teilen unrealistisch", erklärten aber auch, dass sie prinzipiell der Umsetzung eines vernünftigen Konzepts, bei dem in mehr Richtungen gedacht werde, positiv gegenüberstünden.
Die Wiener ÖVP ortete einen "Schritt in die richtige Richtung". "Jetzt müssen diesen Worten aber auch Taten folgen", forderte Umweltsprecher Josef Mantl. Denn klar sei, dass Wien nach wie vor in vielen Punkten Schlusslicht im Bundesländervergleich sei. Wien habe noch immer den geringsten Anteil an erneuerbaren Energien, den geringsten Anteil an erneuerbarem Strom und die geringste Anzahl an Photovoltaik-Anlagen. Auch würden immer mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen verloren gehen. Die Grünen rechneten auch noch vor, dass die Stadtregierung zwar in den kommenden 20 Jahren im Durchschnitt 3,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen wolle, aber im aktuellen, im November vorgelegten Klimabudget pro Jahr lediglich 18.000 Tonnen CO2-Einsparung vorgesehen seien – "das sind nur 0,5 Prozent davon".
SPÖ und Neos wollen an "großen Schrauben drehen"
"Mir als Bürgermeister war es immer wichtig, an den großen Schrauben zu drehen", sagte Bürgermeister Ludwig, der Wien als "Musterstadt im Bereich Klima- und Umweltschutz" bezeichnete. Man wolle eben kein "Zielmärchenbuch" entwickeln, aber auch keine "apokalyptischen Szenarien" erstellen. Diese seien eher demotivierend für die Bevölkerung. Wichtig seien aber jedenfalls auch sozial gerechte Maßnahmen. In dieselbe Kerbe schlug Vizebürgermeister Wiederkehr, der betonte, dass die hohen Ziele im Klimaschutz durch die konkreten Vorgaben nun verbindlich seien: "Wir stellen mit der Smart City Rahmenstrategie und dem Klimafahrplan die Weichen für die Zukunft."
Beide sollen am 23. Februar im Gemeinderat beschlossen werden. Der "Klimafahrplan" enthält mehr als 100 Maßnahmen, für die "Smart City Rahmenstrategie" wurden insgesamt elf Zielbereiche definiert:
1. Energie (Photovoltaik-Offensive, Fernwärme, Fernkälte);
2. Mobilität (Öffi-Ausbau, Weiterentwicklung und Attraktivierung von E-Sharing-Angeboten, Stadt der kurzen Wege, Wasserstoffantrieb);
3. Gebäude (Förderungen, Erleichterungen für
Photovoltaik-Anlagen, nachhaltiges Bauen);
4. Wirtschaft und Arbeit (Klimabudget, Materialeffizienz, Sharing-Economy);
5. Zero Waste und Kreislaufwirtschaft (Ausbau des Reparaturnetzwerks, Abfallvermeidung);
6. Anpassung an den Klimawandel (mehr Grünraum, Begrünung, Beschattung);
7. Stadtökologie, Umwelt und Wasser (Planung neuer Stadtteile in kompakter Bauweise und adäquater urbaner Dichte);
8. Gesundheit und Soziale Inklusion (Stärkung der
Gesundheitskompetenz, Neubauten von Gesundheitseinrichtungen in Niedrigstenergiebauweise);
9. Bildung, Wissenschaft und Forschung (Ausbau Bildungsgrätzln, energieautarke Schulneubauten);
10. Digitalisierung (digitale Grundrechte, Förderung digitaler Kompetenzen);
11. Beteiligung, Engagement und Kultur (kulturelle Teilhabe, Wiener Klimateam).
Keine Gasthermen mehr ab 2040
Bei den Gebäuden will man unter anderem im Neubaubereich ansetzen, wo die Stunde von Öl und Gas geschlagen hat. Erlaubt ist dann nur noch die Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern oder mit Fernwärme. Gasthermen sind ab 2040 generell nicht mehr vorgesehen. Im Bereich Abfall sollen mehrere Maßnahmen dazu beitragen, diesen zu reduzieren. Die Recyclingquote wird sukzessive angehoben. Bis 2050 soll sie sogar 100 Prozent betragen. Sprich: Alle nicht vermeidbare Abfälle sollen verwertet werden. Der Zugang zu Grünraum, die Errichtung von Waldflächen oder die Bedeutung der Lebensmittelversorgung durch die Stadtlandwirtschaft wird ebenfalls hervorgehoben.
Im Bereich Verkehr will man zumindest im städtischen Fuhrpark schon vor 2040 den Umstieg auf alternative Antriebe angehen. Prinzipiell betreffe das Ziel, aus den Verbrenner-Varianten auszusteigen auch Nutzfahrzeuge, betonte Umweltstadtrat Czernohorszky. Allerdings sei es möglich, dass es dabei zu Unschärfen komme, da CO2-freie Antriebe hier vielleicht noch nicht überall verfügbar seien.
Straßen sind in der Strategie nur am Rande Thema. Die Umwandlung bestehende Strecken in Fußgängerzonen oder die Reduktion von Fahrspuren oder Verbindungen kommen zumindest darin nicht vor. Kritik, dass etwa die geplante Stadtstraße in der Donaustadt die Klimaziele konterkarieren würde, wurde zurückgewiesen. Denn diese sei etwa die Voraussetzung für den Bau von Stadtteilen, in denen es wenig Verkehr, viel Freiflächen, kurze Wege oder eine geringe Bodenversiegelung geben werde, wurde betont.