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Vom Etappensieg zur drohenden Niederlage

Von Alexander U. Mathé

Politik

Analyse: Der Lobautunnel liegt auf Eis, doch die Stadtstraße wird gebaut.


Was für Entsetzen und eine empfindliche Niederlage auf der einen Seite gesorgt hat, fühlte sich für die andere Seite von Anfang an nicht vollends gut und triumphal an. Auf dem Papier war die Verkündigung des Aus für den Lobautunnel durch Verkehrsministerin Leonore Gewessler ein grandioser Paukenschlag für Grüne und Umweltaktivisten. Doch Juristen gaben von Anfang an zu bedenken, dass zwar die Unterhöhlung des Naturschutzgebietes dadurch verhindert werden könne, nicht jedoch der gesetzlich verankerte Bau der Stadtstraße. Doch die war in den Köpfen vieler untrennbar mit dem Tunnel verbunden. Manch einer dürfte sich sogar gewundert haben, wieso denn nach der Absage an den Lobautunnel überhaupt noch weiter protestiert wird.

Die Demonstranten hingegen wussten, dass es sich maximal um einen Etappensieg handelte. Sogar in den eigenen Reihen der hinter dem Projekt stehenden SPÖ finden sich jene, denen das Lobautunnel-Aus bei der Verkündigung nicht genug war: "Ein Baustopp alleine ist viel zu wenig. Es braucht jetzt klare, klimafreundliche Alternativen, um die Verkehrsprobleme in der Donaustadt zu lösen", so die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien, Rihab Toumi.

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Das Problem ist, dass Lobautunnel und Stadtstraße zwar dasselbe Spiel, jedoch zwei unterschiedliche Ligen sind: Während es bei dem einen um Naturschutz geht, geht es bei der anderen um Klimaschutz. Dieser wiederum besteht für viele Aktivisten darin, Verkehr und Autos an sich möglichst weit zurückzudrängen. Denn grundsätzlich gibt es für die Stadtstraße alle nur erdenklichen positiven Tests samt Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Grünen fordern nun aber einen zusätzlichen "Klimacheck". Hier ist es offenbar zu einem Begriffswandel gekommen. Denn noch 2016 hatten die Wiener Grünen einen anderen Zugang. Damals erklärte die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, dass die Stadtstraße ein wesentlicher Teil des Gesamtentwicklungskonzepts für den Nordosten Wiens sei. Die Stadtstraße solle den Durchzugsverkehr verringern und Hirschstetten, Stadlau und Breitenlee von Verkehr entlasten.

Nun lautet die Devise der Klimaschützer: Mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr. Die SPÖ (offensichtlich jedoch nicht ihre Jugendorganisation) ist noch dem alten Klimaschutzgedanken der bestmöglichen Kanalisierung des Verkehrs verhaftet. Der ist in diesem Fall auch besser mit einem anderen - ihr wichtigeren - Thema kompatibel: dem Wohnbau, der nach den SP-Plänen durch die Stadtstraße unterstützt wird.

Dass es gelingen wird, die Stadtstraße zu verhindern, ist derzeit mehr als unwahrscheinlich, da dafür das entsprechende Bundesgesetz geändert werden müssten. Dafür bedürfte es einer Parlamentsmehrheit. Die ist wiederum so gut wie ausgeschlossen, da SPÖ, ÖVP und FPÖ geschlossen hinter dem Projekt stehen.

Ablenkung von Baumrodung

So geht das Ganze nun den gesetzlichen Weg, der auch zur Räumung des Protestcamps geführt hat. Der damit notwendige Polizeieinsatz gegen jugendliche Aktivisten mit 48 Festnahmen bringt natürlich nicht unbedingt viele Sympathiewerte. Dessen war man sich in der Stadt Wien sicherlich schon vorher bewusst. Da war es nicht ungeschickt, das ganze Areal großflächig abzusperren und bei dieser Gelegenheit auch gleich die für den Straßenbau notwendige Rodung von fast 400 Bäumen anzugehen. Denn diese Meldung spielt nun eine Nebenrolle, hätte aber - wäre sie zu einem späteren Zeitpunkt isoliert erfolgt - das Potenzial gehabt, für eine Empörung zu sorgen, die der Stadt noch lange negative Schlagzeilen beschert hätte.

Das Thema Stadtstraße wird Wien und die Aktivisten in Zukunft jedenfalls noch lange beschäftigen. Einerseits bleibt abzuwarten, ob das Lobautunnel-Aus hält - etwa auch über die nächste Regierungsperiode hinaus. Es hat den Anschein, als würde die Stadt abwarten und zuerst einmal die genehmigten Teile des Projekts bauen. Andererseits stellt sich die Frage, was statt des Lobautunnels kommt. Eine der früher angedachten alternativen Lösungen war beispielsweise der Bau einer Brücke über die Lobau. Eine Vorstellung, die Klimaaktivisten wenig begeistern dürfte. Allerdings wird auch kein anderer Straßenbau für sie in Frage kommen, was den von der strikt befürwortenden Stadträtin Uli Sima angebotenen Dialog a priori obsolet macht.