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Stadtregierung unter Druck

Von Alexander U. Mathé und Christian Rösner

Politik

Die Verteuerung der Fernwärme birgt die Gefahr von Verarmung und Imageverlust.


Die angekündigte Preiserhöhung für Fernwärme setzt die Stadtregierung enorm unter Druck. Satte 92 Prozent will die stadtnahe Wien Energie aufschlagen. Im Rathaus suchte man am Mittwoch zu beschwichtigen: "Die Experten der amtlichen Preiskommission sind jetzt aufgefordert abzuklären, in welcher Dimension diese Erhöhung gerechtfertigt ist", erklärte Finanzstadtrat Peter Hanke der "Wiener Zeitung". Mitglieder dieser Preiskommission sind die Wirtschaftskammer, die Landwirtschaftskammer und die Arbeiterkammer (AK). Letztere erklärte aber auf Nachfrage, dass man keinerlei Entscheidungsmacht habe. Die Kommissionsmitglieder haben lediglich ein Stellungnahme- und Anhörungsrecht. Sollte die Wien Energie auf dieser Erhöhung beharren, gebe es nichts, was man dagegen tun könne.

Etwa 440.000 Haushalte werden derzeit mit Wiener Fernwärme beliefert. Eine derartige Preissteigerung würde für die Betroffenen eine monatliche Zusatzbelastung von rund 45 Euro bedeuten - das bringt die Stadtregierung in die Bredouille. Opposition, aber auch Interessensverbände wie Gewerkschaft und Arbeiterkammer schäumen.

Sündenbock Bundesregierung

Warum es zu dieser Erhöhung kommt und wie sie sich berechnet ist noch nicht geklärt. "Wir haben bisher nur rudimentäre Auskünfte erhalten, weil die Wien Energie erst noch einen Antrag auf die Preiserhöhung stellen wird", erklärt Dorothea Herzele von der wirtschaftspolitischen Abteilung der AK Wien. Im Rahmen dieses Antragsverfahrens werden erst alle relevanten Unterlagen vorgelegt, die die Erhöhung rechtfertigen sollen.

Einer der vorab genannten Gründe für die Preiserhöhung ist, dass die letzte 2014 bzw. 2016 stattgefunden hat. Es ist aber klar, dass dies weder der einzige noch der wichtigste Grund für die Erhöhung ist. So sind etwa die Großhandelspreise für Gas im vergangenen Jahr um mehr als 420 Prozent gestiegen. Die Fernwärme Wien wiederum wird primär mit Gas betrieben. Die Abwärme aus der Müllverbrennung macht lediglich einen geringen Anteil aus. Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr dazu: "Es ist bedauerlich, dass die Energiepreise so stark steigen. Das ist aber marktabhängig. Die erste Verantwortliche ist die Bundesregierung, dagegen Maßnahmen zu treffen."

Dass die Bundesregierung handeln muss, sieht man auch bei der AK so. "Bund und Stadtregierung sind jetzt gefordert. Es werden extrem viele Leute massiv unter finanziellen Druck kommen. Gerade die Fernwärme wird ja von vielen einkommensschwachen Haushalten genutzt", so Herzele. "Es ist ja nicht nur die Fernwärme, es sind die Strom- und Lebensmittelpreise, die steigen, die Wohnungspreise - die Armutsspirale dreht sich immer stärker. Wir müssen Abfederungsmaßnahmen treffen."

200 Euro aufs Konto

Die Stadtregierung habe immerhin bereits die "Energieunterstützung Plus" verabschiedet. Mit ihr erhalten einkommensschwache Haushalten bis Ende Juni automatisch 200 Euro. "Das muss jetzt massiv aufgestockt werden - auch von der Stadt Wien", fordert Herzele und warnt: "Es sind nicht nur die Einkommensschwachen, die betroffen sind, es geht auch in den Mittelstand hinein." Laut Stadtrat Hanke erhalten 260.000 Betroffene diese 200 Euro. "Und ab Oktober kann eine wesentlich größere Gruppe von Menschen Unterstützung bei der Begleichung ihrer Energierechnung beantragen. Ziel ist es, auch Teilen des Mittelstands zu helfen", so der Stadtrat. Mit dem Notfallpaket würden insgesamt 125 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Bei der Wien Energie betont man, keine andere Wahl zu haben: "Das sind die bitteren Folgen der weltweiten Energiekrise." Die Teuerung sei durch den Krieg in der Ukraine weiter zugespitzt - und es sei keine Entspannung der Preislage in Sicht, so Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl. Für ihn gebe es nur einen Weg: Raus aus Gas. "Das gelingt nur durch massive Investitionen in erneuerbare Wärme. Dafür brauchen wir ausreichend wirtschaftliche Stabilität und müssen finanzielle Verluste vermeiden", sagte Strebl. "Wenn alles empfindlich teurer wird, die Kreditzinsen bald steigen, unsere Bundesregierung weiterhin keine Maßnahmen setzt und die Bevölkerung an allen Ecken und Enden zu sparen beginnen muss, wird es keine wirtschaftliche Stabilität geben", meint wiederum Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit.

Was am Ende bleiben könnte, ist ein Imageverlust für die Fernwärme - etwas, was auch für Herzele von der AK problematisch wäre: "Die Fernwärme ist aus ökologischer Sicht wichtig, weil sie ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung der Stadt ist. Das ist gefährdet, wenn die Leute die Fernwärme ablehnen, weil sie ihnen zu teuer ist."