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ÖVP will Gemeinderat für die Bürger öffnen

Von Christian Rösner

Politik
Geht es nach der Wiener ÖVP, sollen sich Bürgerinnen und Bürger im Gemeinderat regelmäßig mit ihren Fragen direkt an die Stadtregierung wenden können.
© Rösner

Wiener Volkspartei ist in Klausur und stellt Maßnahmenpaket vor, um "Verwaltungszentralismus" in Wien aufzubrechen.


Mehr Bürgernähe - das hat der frisch gewählte Wiener ÖVP-Parteiobmann Karl Mahrer am Landesparteitag als Ziel für seine Partei vorgegeben. Im Zuge der derzeit stattfindenden Klubklausur hat die ÖVP sogleich ein Bürgerbeteiligungspaket vorgestellt, das dieses Vorhaben auf den Weg bringen soll. Und das sei keine leichte Aufgabe - "denn in Wien herrscht ein regelrechter Verwaltungszentralismus", polterte der Wiener Klubchef Markus Wölbitsch.

Die aktuelle Situation zeige, dass es in der Stadt Wien einen enormen demokratiepolitischen Nachholbedarf gibt. Das reiche vom "Behördenversagen bei der MA 35, dem Umgang mit der Verfassung anhand der Nichtumsetzung des Sozialhilfegesetzes bis hin zur Tatsache, dass weder der Gemeinderat noch der zuständige Ausschuss mit einem 1,4-Milliarden-Euro-Vertrag ("Alles Gurgelt" / Life Brain, Anm.) befasst wurden", erklärte Verfassungssprecher Patrick Gasselich der "Wiener Zeitung".

Bürgerfragestunde

Zu den zentralen Forderungen der ÖVP gehören verstärkte Kontrollrechte für die Oppositionsparteien - so sollte laut Gasselich das Anfragerecht modernisiert werden, denn die Opposition hat zurzeit keine Möglichkeiten, Informationen über die Geschäftsgebahrungen der ausgelagerten Unternehmungen der Stadt - also etwa die Wiener Stadtwerke oder die Wien Holding, die fast 80 Betriebe unter ihrem Dach vereint - zu bekommen. Was den Fonds Soziales Wien (FSW) betrifft, sitzt die ÖVP etwa nur im Beirat. "Unter des Gesundheitsstadtrats Gnaden dürfen wir nur hie und da Fragen stellen - das ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der FSW ein Budget von rund einer Milliarde Euro im Jahr verwaltet", meinte Gasselich.

Eine weitere Forderung in Richtung mehr Bürgernähe ist die Einführung einer Bürgerfragestunde in Gemeinderat und Landtag sowie in den Bezirksvertretungen: So sollen sich nach Vorstellungen der ÖVP Bürger in einer Gemeinderatssitzung oder in einer Bezirksvertretungssitzung direkt im Sitzungssaal mit Fragen an die Regierenden wenden können. Das Prozedere könnte hier etwa eine Online-Anmeldung mit anschließender Auslosung von jeweils sechs Fragestellern sein, meinte Gasselich.

Außerdem will die Wiener ÖVP den Gesetzgebungsprozess der Stadt demokratisieren. Denn oft würden - anders als auf Bundesebene - Gesetzesvorhaben der Stadtregierung beziehungsweise der Regierungsfraktionen mittels Initiativantrags ohne ein externes Begutachtungsverfahren durchgepeitscht. Wie im Bund soll aber auch in Wien die Möglichkeit bestehen, hier Stellungnahmen abzugeben, so die Vorstellung der Stadtpartei.

Auch das Wahlrecht will die ÖVP bürgernäher gestalten - etwa durch die Einführung der elektronischen Stimmabgabe (E-Voting) bei Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen. Das würde die Hemmschwelle vom Wahlrecht Gebrauch zu machen senken und die Wahlbeteiligung erhöhen, meint man bei der ÖVP.

Direktwahl der Bezirksvorsteher

Und geht es nach der Volkspartei, so sollten künftig Bezirksvorsteher direkt gewählt werden können. "Immerhin sind sie Hauptakteure auf Bezirksebene sowie die Hauptansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es auch legitim, wenn diese für die Bezirksbevölkerung direkt wählbar wären", ist Gasselich - im Übrigen selbst Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Liesing - überzeugt. Weiters müsse das Wahlrecht das Recht der Staatsbürger bleiben, betont man bei der ÖVP. Abgesehen davon wird auch mehr Mitsprache für die Grätzl durch die Einführung eines "Bürgerbudgets" gefordert. Das fördere die Mitbestimmung und binde die Bürger mehr ein, ist man überzeugt. Darüber hinaus spricht sich die ÖVP dafür aus, den Petitionsausschuss zu einem Bürgerausschuss aufzuwerten: "Große Petitionen" sollten demnach direkt im Gemeinderat diskutiert werden können, wobei auch ein Rederecht des Petenten damit verknüpft sein soll. Zusätzlich sollten halbjährliche Berichte über die Umsetzung der Empfehlungen etabliert werden, so die Vorschläge.

Weitere Themen der Klubklausur waren Wirtschaft und Arbeit, zu denen sich Minister Martin Kocher äußerte. Über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Ballungsräume sprach Politikexperte Karl Jurka. Weiters am Programm stehen die Themen Mobilität sowie der Rechnungsabschluss 2021, der vor kurzem von Finanzstadtrat Hanke präsentiert wurde.