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"Wir haben nicht spekuliert"

Von Alexander U. Mathé

Politik

Bürgermeister, Finanzstadtrat und Stadtwerke-Chef betonen, bei der Wien Energie sei alles mit rechten Dingen zugegangen.


Unbeschwert sieht anders aus. Bürgermeister Michael Ludwig, der Stadtrat für Finanzen und die Wiener Stadtwerke, Peter Hanke, sowie der Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt, stellten sich am Dienstag erstmals in einem medienöffentlichen Termin den Fragen der Journalisten zur Causa Wien Energie. Dabei war über weite Strecken schwer abzuschätzen, ob die bittersäuerliche Miene der drei auf - wie vorgeworfen - eigene Verfehlungen zurückzuführen ist, ob die Handlungen der Stadtverantwortlichen missverstanden wurden, oder ob - und auch das schien am Dienstag ein wenig durch - sie politische Gegner drangekriegt haben. Oder war es gar eine Kombination aus zwei oder mehr Punkten?

"Nein", man habe nicht spekuliert, versicherte Peter Weinelt. Das sei auch verboten. Die vereinfachte Erklärung: Um auch in Zeiten hohen Energiebedarfs die Versorgung sicherzustellen, kauft die Wien Energie bereits rechtzeitig und Monate im Voraus Strom und Gas. Damit es zu keinen Engpässen kommt, ist das stets mehr, als eigentlich benötigt wird. Gleichzeitig verkauft das Versorgungsunternehmen aber auch die allfälligen Überschüsse weiter. Diese wiederum müssen nach dem aktuellen Tageswert besichert werden. Denn sollte die Wien Energie nicht liefern können - etwa aus Eigenbedarf -, so muss der versprochene Strom ja trotzdem irgendwoher geliefert und auch bezahlt werden. Dafür ist diese Kaution da. Der Vorgang sei völlig normal in der Energiebranche. Dass die Wien Energie nicht liefere, komme auch nicht vor. Von daher sei dies eine Kaution, die man stets zurückerhalte.

Hinzu komme, dass die gerechnete Handelsmenge weit über der tatsächlichen liege. Diese scheine in den Bilanzen nämlich mehrfach auf: "Die Wien Energie beschafft das und gibt diese Energie - meistens Strom und Gas - an die Vertriebstochter Energie Allianz mit der EVN und der Energie Burgenland weiter." "Physikalisch gibt es die dreifache Menge nicht."

Wie weit man dabei gehen dürfe, sei klar dargelegt im sogenannten Risikohandbuch, das stets aktualisiert werde (zuletzt etwa um den Handel mit den relativ neuen CO2-Zerifikaten). Das wiederum werde von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer begutachtet und freigegeben. Auf das Vorgehen gibt es somit sozusagen Brief und Siegel.

"Historischer Freitag"

Trotzdem ist die plötzliche Bitte an den Bund um Hilfe in Höhe von sechs Milliarden Euro etwas, das Experten wie Normalbürger aufhorchen lässt. Hätte man das nicht kommen sehen müssen? "Es war ein historischer Freitag. Das hat es noch nicht gegeben", erklärte Stadtrat Hanke und Weinelt ergänzte, dass man an den bisher härtesten Tagen 200 Millionen Euro stemmen habe müssen. "Und dann bekommen wir eine Rechnung, auf der 1,75 Milliarden Euro draufsteht." Wie verrückt der Markt unterwegs sei, sehe man auch daran, dass sich die Preise schon am Montag wieder normalisiert haben und Wien derzeit auf Unterstützung gar nicht angewiesen ist, führte Hanke aus.

Mit den Ereignissen am Freitag "hat niemand rechnen können", sagte Hanke. Wie einschneidend dieser Tag gewesen sei, könne man daraus ablesen, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umgehend erklärte, die Struktur des Energiemarktes in Europa reformieren zu wollen und der EU-Rat für 9. September eine Krisensitzung zu dem Thema anberaumt hat.

Dort wird unter anderem auch eine Abschaffung der Merit-Order diskutiert werden, eine Forderung, die Wien schon seit Monaten mehr oder weniger exklusiv in Österreich stellt. Die Merit-Order gibt vor, dass der Strompreis auf Basis des letzten zugeschalteten und somit teuersten (Gas-)Kraftwerks berechnet wird.

Doch warum hat sich Wien so lange Zeit mit einer entsprechenden Erklärung Zeit gelassen? "Hätten wir nur gewusst, wie die Bundesregierung reagiert", sagte Bürgermeister Michael Ludwig. Zu dem Krisentreffen am Sonntag sei die Stadtregierung nicht eingeladen gewesen. Und danach seien Meldungen mit einem entsprechenden Spin an die Öffentlichkeit getragen worden. Etwas was Wien sehr bedauere: "Wir sind der Meinung, dass man in Krisenzeiten an einem Strang ziehen sollte", sagte Ludwig.

Ob tatsächlich alles ordnungsgemäß abgelaufen ist, sollen nun die Rechnungshöfe klären.