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Hunderte Euro im Müll

Von Petra Tempfer

Politik

Jeder Haushalt wirft regelmäßig genießbares Essen weg. Auch Wiener Schulen werden nun in die Pflicht genommen.


Ein warmes Mittagessen und mehrere Jausen: Den Großteil ihrer Mahlzeiten nehmen viele Kinder und Jugendliche in der Schule zu sich. Bis zu 400.000 warme Speisen seien es österreichweit pro Tag - davon in Wiens Schulen mit Ganztagsbetreuung etwa 45.000, hieß es am Dienstag von Umweltministerium und Stadt Wien anlässlich des Welttages gegen Lebensmittelverschwendung am 29. September. Denn: Ein bedeutender Teil dieser Speisen lande im Müll.

Ein erstes Abfallmonitoring der Initiative "United Against Waste" an österreichischen Schulen habe ergeben, dass durchschnittlich 20 Prozent der ausgegebenen Speisenmenge zu vermeidbarem Lebensmittelabfall werden. Die Initiative ist eine Plattform unterschiedlicher Unternehmen der Lebensmittelbranche, die diese gemeinsam mit Bund, Ländern, Wissenschaft und NGOs betreiben.

Um hier gegenzusteuern, sollen nun erstmals Daten zum Lebensmittelabfall an Österreichs Schulen mit Fokus auf Wien erhoben werden, kündigte der Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) an. Im Zuge eines Forschungsprojektes der Universität für Bodenkultur (Boku) in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien und dem Cateringunternehmen "Gourmet" sollen aus diesen Daten Maßnahmen zur Lebensmittelabfall-Vermeidung abgeleitet werden. Anschließend werde man diese mit den Verantwortlichen der Stadt und der Schulen sowie mit den Eltern, Verpflegungsunternehmen, Lehrern und Schülern diskutieren, so Wiederkehr.

Weg vom Feld auf den Teller

"Wir schätzen das Vermeidungspotenzial der Lebensmittelabfälle an österreichischen Schulen mit 3.500 Tonnen bis zu 6.700 Tonnen pro Jahr ein", sagte dazu Gudrun Obersteiner von der Boku. Die Schule ist allerdings nur eine der zahlreichen Stationen entlang der Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Diese - und damit die Lebensmittelverschwendung - beginne bereits in der Landwirtschaft, sagte Dominik Heizmann vom WWF ebenfalls am Dienstag.

In der Produktion gehen laut Heizmann aufgrund von Fehletikettierung oder Überproduktion jährlich rund 122.000 Tonnen genießbarer Lebensmittel verloren. Im Großhandel seien es 10.300 Tonnen und im Einzelhandel 79.000 Tonnen. Den weitaus größten Brocken stellen jedoch die Verbraucher dar: die Außer-Haus-Verpflegung mit 175.000 Tonnen und vor allem die Haushalte mit 521.000 Tonnen pro Jahr. "Insgesamt verschwindet somit rund eine Million Tonnen an Lebensmitteln auf deren Weg vom Feld auf den Teller unnötig", so Heizmann.

In Geld gegossen landen bis zu 800 Euro pro Haushalt jährlich im Müll - und sind somit verloren. Der WWF pochte daher gemeinsam mit Theo Koch, Manager des Unternehmens "Too Good To Go" gegen Lebensmittelverschwendung, einmal mehr auf Maßnahmen in Österreich zur Erreichung des 2015 gesteckten Zieles: Damals haben die Vereinten Nationen beschlossen, das Leben bis 2030 nachhaltiger zu gestalten und den Anteil der Hungernden gegen Null zu reduzieren.

Österreich hat zu diesem Zweck eine Vereinbarung unterzeichnet, die eine Halbierung der Menge der weggeworfenen Lebensmittel bis 2030 vorsieht. Diese basiert darauf, dass die Unternehmen nicht für den Verkauf geeignete, genießbare Lebensmittel weitergeben - etwa an soziale Einrichtungen. Im aktuellen Regierungsprogramm sind Maßnahmen zur Erreichung dieser Halbierung angekündigt.

Vorbild Italien und Frankreich

Dem WWF ist das allerdings zu wenig. Sämtliche Schritte in der Vereinbarung seien freiwillig, sagte Heizmann, es brauche jedoch eine gesetzliche Basis. Kommt diese nicht, werde man die Verschwendung bis 2030 nicht halbieren können.

In anderen Ländern gibt es diese bereits. In Italien zum Beispiel, wo die Bandbreite der Lebensmittel, die gespendet werden dürfen, gesetzlich erweitert und determiniert wurde. Oder in Frankreich, wo große Restaurants und Supermärkte zum Spenden verpflichtet sind. Spaniens Parlament behandelt gerade ein Gesetz, das die Weitergabepflicht überschüssiger Lebensmittel regelt -es soll 2023 in Kraft treten. Belgien plant steuerliche Anreize, und Deutschland kündigte rechtlich verbindliche Reduktionsziele an.