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Bezirk ohne Bezirkszentrum?

Von Michael Schmid

Politik
In Österreich gibt es nur noch wenige frühbrutalistische Bauwerke wie das Bezirkszentrum Donaustadt.
© Schmid

Dem Bezirkszentrum Kagran droht der Abriss, es gibt einen Masterplan für eine Hochhausbebauung - doch vieles ist unklar.


Der Architekt Roland Rainer hat in Wien ein vielfältiges Erbe hinterlassen. Dazu zählen nicht nur markante Gebäude wie die Stadthalle oder das ORF-Zentrum am Küniglberg und eine ganze Reihe bemerkenswerter Wohnanlagen. Auch als Stadtplaner von Wien hat Rainer wichtige Akzente gesetzt. So gehen auf ihn die Konzepte autofreier Siedlungen und durchgeplanter Bezirkszentren zurück. In diesen Bezirkszentren sollten die Menschen neben Einkaufsgelegenheiten und Ämtern auch kulturelle Einrichtungen sowie medizinische Versorgung, Gastronomie und Unterhaltungsmöglichkeiten finden.

Das Bezirkszentrum Kagran am Schrödingerplatz ist ein solcher Komplex. Errichtet Ende der 1960er Jahre nach den Plänen eines Teams von vier jungen Architekten. Karl Leber, Heinrich Mathá und August Kremnitzer waren Schüler Roland Rainers, Gottfied Fickl hatte sein Handwerk bei Clemens Holzmeister gelernt. Wie häufig in Wien blieb das Projekt unvollendet. Bezirksamt, großer Veranstaltungssaal, Volkshochschule, Jugendzentrum und kleine Ladenzeile wurden gebaut. Zu Ärztezenturm, Apartmenthaus, Büros und weiteren Läden kam es nicht mehr. Seit den 1980er Jahren begrenzt ein Postgebäude nach Westen hin den Platz vor dem Amtshaus. Im Norden steht der Erweiterungsbau des Donauzentrums und an der Donaustadtstraße befindet sich ein Parkplatz.

Die jungen Architekten nutzten die Formensprache ihrer Zeit. Sichtbeton, große Fensterflächen, überdachte Bereiche an der Ladenzone und ein großzügiger Innenhof, der über die Volkshochschule und das Amtshaus frei zugänglich ist. Gestalterisch durchaus gelungen. Doch mittlerweile ist die Anlage in die Jahre gekommen. Baumängel machen sich bemerkbar. "Im Winter brauchen wir gar nicht zu lüften, denn es zieht sowieso durch die Fenster. Dafür ist’s im Sommer viel zu heiß und das Dach ist nicht mehr dicht," umreißt Karl Dworschak, Direktor der Volkshochschule 22, die Situation.

Die mangelnde Isolierung stellt angesichts steigender Energiekosten ein gehöriges Problem für seine Bildungseinrichtung dar. Dazu kommt ein hoher Wartungsaufwand für die betagte Infrastruktur des Hauses. 2025 soll die VHS 22 daher übersiedeln, in ein neues Objekt in der Attemsgasse. Der aus vier Gebäuden bestehende Holzhybridbaukomplex "Rote Emma" wird in den Erdgeschoßzonen neben der VHS auch Kindergarten, Fahrradwerkstatt und Geschäfte beherbergen. Darüber wird gewohnt. Die Dächer werden allesamt mit Gärten versehen und die Fassaden begrünt.

Auch für das Amtshaus ist die Absiedelung schon beschlossene Sache. Die Bezirksverwaltung wird sich in einem der neuen Türme des Investors René Benko einmieten, die aktuell westlich der U1-Station Kagran entstehen. Doch was tun mit dem frühbrutalistischen Gebäudekomplex beim Schrödingerplatz? "Sanieren", sagt der Architekturhistoriker Lukas Vejnik, der mit seiner Kollegin Carina Sacher an einem Forschungsprojekt zur Architektur der Wiener Volkshochschulen arbeitet. Sacher hebt den guten Zustand der Betonstruktur des Bezirkszentrums Kagran hervor. Größeren Sanierungsbedarf gebe es bei Dach und Fenstern. Doch diese Mängel seien mit vertretbarem Aufwand behebbar. Eine Sanierung sei in Hinblick auf die hohe architektonische Qualität der Gesamtanlage mit ihrem idyllischen Innenhof jedenfalls empfehlenswert. Abriss und Neubau würden zudem erheblich höhere Klimabelastungen verursachen.

Das Forscher-Duo verweist auf das Rathaus Prinzersdorf bei St. Pölten, einen Bau aus 1973, der unlängst erfolgreich generalsaniert wurde. Abriss und Neubau hätten in Prinzersdorf "zu einer ähnlichen Lösung geführt, wie bereits vorhanden - nur heute nicht mehr mit derart hochwertigen Materialen erzielbar", heißt es zu diesem Projekt aus dem dafür verantwortlichen Architekturbüro von Ernst Beneder und Anja Fischer.

Mit Blick auf die Donaustadt betonen Beneder und Fischer, "dass innerhalb einer klaren Struktur eine ständige Anpassung an den Wandel der öffentlichen administrativen und sozialen Infrastruktur möglich ist." Wichtig sei zudem, "dass eine Architektur der Öffentlichkeit auch diesen offenen Charakter zeigt, nicht ein Bild sondern Räume zur Identifikation anbietet." Auch würde in Kagran die "hochwertige Fassadenbekleidung weiterhin Langlebigkeit versprechen."

Kritik von FPÖ und Grünen

Also sanieren? Was sagt denn die Politik dazu? Von den Parteien wollten nur Grüne und FPÖ Stellung nehmen. Die Grüne Heidi Sequenz hat wenig Freude mit der neuen Heimat der Bezirksverwaltung. Diese sei "eine Betonwüste, Gewinnmaximierung um jeden Preis. Sogar vom Kinderspielplatz hat man sich freigekauft."

Ähnlich kritisch sieht das Toni Mahdalik von der Wiener FPÖ: "Selbstverständlich würden wir einen Verbleib in einem gemeindeeigenen Objekt bevorzugen, eine Renovierung des Bestands hätte völlig gereicht und wäre um Lichtjahre günstiger gewesen."

Aus dem Büro von Wohnbaustadträtin Katrin Gaal heißt es hingegen: "Aufgrund des Umfanges der bei einer Sanierung erforderlichen nachhaltigen und umfassenden Maßnahmen und der baulichen Rahmenbedingungen wurde von einer Generalsanierung Abstand genommen." Ob das Gebäude abgerissen werden soll, entziehe sich "dem Kenntnisstand des Bau- und Gebäudemanagements der Stadt Wien (MA 34)."

350 Wohnungen geplant

Mehr weiß die MA 21 (Stadtteilplanung und Flächenwidmung). Diese hat von 22. bis 24. September in der Eishalle Kagran über den Stand der Dinge informiert. Vorgestellt wurde der Masterplan des Architekturbüros BEHF. Anstelle des Bezirkszentrums und des Parkplatzes davor sieht der Plan zwei massive Blockverbauungen mit mehreren bis zu zehn Geschoßen hohen Wohntürmen vor. Dazu ist allerdings eine Änderung der Flächenwidmung nötig, die derzeit nur eine Gebäudehöhe von 14 Metern erlaubt. 350 Wohnungen sollen da entstehen, die Hälfte davon frei finanziert. Für den öffentlichen Raum verbleiben Restflächen.

Wer die Windsituation in der Donaustadt kennt, kann sich gut vorstellen, wie gemütlich der Aufenthalt auf dem als "Stadtgarten" bezeichneten Dreiecksplatz zwischen den Hochhäusern sein wird. Den Planern ging es vor allem darum, die Durchwegung so einfach wie möglich zu gestalten, wie unumwunden zugegeben wird. Als Fertigstellungsdatum für die Neugestaltung ist das Jahr 2029 vorgesehen. Da bleibt noch einiges an Zeit für Änderungen an den vorläufigen Plänen. Vielleicht auch für eine Sanierung.