Wien. Minutenlang stand eine Frau einfach nur fassungslos da und starrte die bunten Wägen an, bis sie sagte: "Das geht ja nicht, das ist ja verboten", erzählt Hans Freitag von der Wagenplatz-Gruppe Gänseblümchen. Es ist ja auch kein alltägliches Bild, das sich hier in Aspern bietet: Seit gut drei Wochen stehen die bunten Wägen in der Johann-Kutschera-Gasse in Wien-Donaustadt.

Davor sitzt eine Handvoll Männer, isst Gugelhupf und erzählt vom unkonventionellen Leben im Wagen: Der IT-Consultant Freitag wohnt seit acht Jahren in seinem Lkw. Dieser gebe ihm jene Mobilität, die er im Job brauche, sagt der 31-Jährige: Alle paar Jahre wechselt er die Stadt, und sein Zuhause kommt einfach mit.

Alternatives Wagenleben in der Lobau und Aspern


Hat sich ein neuer Wagen der Gruppe angeschlossen, sind Menschen auf der Durchreise zu Besuch? Martin Pell will nicht wissen, was ihn erwartet, wenn er nach Hause kommt. Deshalb lebt er im Wagenplatzkollektiv, wo sich immer etwas verändert.

2006 formierte sich in Wien die erste Wagenplatz-Gruppe, mit den Gänseblümchen gibt es nun zwei in der Donaustadt und eine in Wien-Floridsdorf. Bisher reagierte die Stadt auf alternative Wohnkonzepte eher verhalten, oft wurden die Wagenplätze erst nach langwierigen Verhandlungen geduldet. 1000 Euro Miete pro Monat zahlten die Wagenplatzbewohner gemeinsam für ihren Stellplatz in der Lobau. Aus Platzmangel hat ein Teil dieser Gruppe die Zelte abgebrochen, die Gänseblümchen suchen nun einen Platz zum Überwintern. Als optimal erschien ihnen dafür das Grundstück in Wien-Aspern, das mit 240 Hektar so groß ist wie 340 Fußballfelder oder der 7. und 8. Bezirk gemeinsam.

Anders sieht das die Betreibergesellschaft 3420 AG, die hinter dem größten Stadtentwicklungsprojekt Wiens steht. Noch duldet sie die Wagen vor den Toren der im Entstehen begriffenen Seestadt. Doch in maximal drei Monate müssen diese weg. Josef Lueger von der 3420 AG beruft sich auf fehlende Sicherheit und Komfort neben vorbeibretternden Lkw. Dass die Gänseblümchen ohnehin lieber auf die grünen Wiesen der Seestadt wollen, lässt er nicht gelten: Der Zeitpunkt sei denkbar schlecht, die Bauarbeiten bereits in vollem Gange.

Lässt man den Blick in Aspern schweifen, sind weit und breit nur Wiesen und Felder zu sehen, ab und an kommt ein Jogger vorbei und blickt verwundert auf die bunte Kolonne vor den Toren der Seestadt. "Bis 2015 steht das hier brach", meint Freitag, der nicht glauben kann, dass überall gleichzeitig gebaut wird.