
"Wiener Zeitung": Die Länder sollen Asylwerber aus dem überfüllten Flüchtlingsheim Traiskirchen übernehmen. Warum zeigt sich Wien so zurückhaltend?
Sonja Wehsely: Wien hat mit 5700 Asylwerbern derzeit um 1700 mehr, als die Quote verlangt: Wir liegen bei 143 Prozent. Hätten wir dasselbe wie Niederösterreich gemacht und gesagt: Wir wollen nur die Quote erfüllen, dann müssten jetzt noch zusätzlich 1700 Flüchtlinge auf die Länder aufgeteilt werden. Wir werden das hohe Niveau halten, aber Wien kann nicht alles tragen. Jetzt sind einmal die anderen Bundesländer dran.
Wer ist von den Ländern Ihrer Meinung nach am säumigsten?
Salzburg und Kärnten.
Gibt es derzeit so starke Flüchtlingsströme?
Im Gegenteil: Im Jahr 2002 hatten wir 39.000 Asylanträge. 2011 waren es 14.000. Aber alle tun so, als würden wir gerade einen Rekordwert erreichen. Daran sieht man, dass die anderen Bundesländer überhaupt nichts mehr tun.
Die müssen immerhin rund 10.000 Flüchtlinge unterbringen.
Ich habe mir das ausgerechnet: Wenn Wien sich um 5000 Flüchtlinge kümmert, und 10.000 bleiben übrig, dann kommen auf jede Gemeinde in Österreich 4,3 Flüchtlinge.
Österreich könnte also eigentlich doppelt so viele Flüchtlinge bewältigen?
Das habe ich nicht gesagt. Ich sage nur, wie es aussieht.
Thema Gesundheitsreform: Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling kritisiert, dass die Länder entgegen der Vereinbarung vom Juni plötzlich um 230 Millionen Euro mehr verlangen - gefährdet das nicht die Verhandlungen?
Ich schätze Herrn Schelling als guten Verhandlungspartner. Wenn man aber die politische Vereinbarung vom Juni liest, kommt man drauf, dass der Verteilungsschlüssel über die vereinbarten Kostendämpfungen im Ausmaß von 3,4 Milliarden Euro zwischen Ländern und Kassen von 60:40 gar nicht drinnen steht. Das war eine angenommene Größe, um verhandeln zu können. Im August hat dann der Hauptverband seine prognostizierten Planwerte für die nächsten Jahre veröffentlicht, wonach deutlich weniger Kosten zu erwarten sind, als es die Dämpfung verlangen würde. Das ist, finde ich, ein Ausgabensteigerungs- und kein Dämpfungspfad. Das muss zurechtgerückt werden.