Wien. Ab dem kommenden Jahr sind in Wien alle 15 Bildungstests, die es für Volks-, Hauptschulen/Neue Mittelschulen (NMS) und AHS-Unterstufe gibt, verpflichtend. Die Ergebnisse müssen an den Stadtschulrat gemeldet werden und sollen - mit Ausnahme der Tests in der ersten Volksschulklasse - ein Faktor sein, ob man aufsteigen kann. Ziel dieser Maßnahme sei, dass Schüler ihre Probleme nicht bis zum Ende der Schulpflicht mitschleppen, erklärte Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) am Montag.
Bisher haben laut Brandsteidl nur 20 Prozent der Lehrer jene Testungen eingesetzt, die zwar empfohlen, aber nicht verpflichtend waren. Dabei gehe es auch um Notenwahrheit, da Lehrer zusätzlich zu ihren subjektiven Beurteilungskriterien eine objektive Messung zur Verfügung haben. "Die Tests sollen den Lehrern zeigen, wo die Probleme sind."
Immerhin habe der schon jetzt verpflichtende "Wiener Lesetest" gezeigt, dass in der 4. Klasse Volksschule 20 Prozent der Schüler ein "Sehr Gut" oder "Gut" erhalten haben, obwohl sie laut der Überprüfung des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) massive Probleme beim Lesen haben. "Es kann nicht möglich sein, dass jemand, der ein Risikoschüler ist, eine Berechtigung zum Aufstieg in die AHS erhält", betonte Brandsteidl. Laut dem jüngsten "Wiener Lesetest" war das immerhin bei knapp 500 Schülern der Fall. Brandsteidl geht davon aus, dass sich die Tests auch auf die Aufstiegsberechtigungen auswirken werden. Sie rechnet mit einer "deutlichen Steigerung" der Klassenwiederholungen - vieles soll aber "durch Fördermaßnahmen abgefangen" werden.
Für Schüler mit Problemen ist spezielle Förderung vorgesehen, so gebe es mittlerweile rund 20 dafür ausgebildete Lehrer, die ihr Wissen als Multiplikatoren weitergeben sollen. Außerdem seien an jeder Volks- und Hauptschule spezielle Lesekoordinatoren zu finden. Dass der Fokus auf das Lesen gelegt wird, begründet Brand- steidl damit, dass über diesen Hebel viele Schwierigkeiten in anderen Fächern ausgeräumt werden könnten.
ÖVP-Bildungssprecherin erschüttert
"Erschüttert" hat sich die ÖVP-Bildungssprecherin Isabella Leeb über die Ankündigung von Brandsteidl gezeigt. Wenn Brandsteidl glaube, dass mehr Tests die Ergebnisse verbessern könnten, sei es an der Zeit, dass Bürgermeister Michael Häupl sie "aus dem Verkehr zieht. Besser heute als morgen, andernfalls sehe ich für die Bildungs-Zukunft der Wiener Kinder kohlrabenschwarz", so Leeb.
Sie bemängelt, dass Brandsteidl "plötzlich" auf Notenwahrheit beharre, obwohl der Stadtschulrat bisher Druck auf Lehrer ausgeübt habe, damit Jugendliche einen Hauptschulabschluss bekommen, obwohl sie nicht lesen und rechnen können. Mit dem Förderangebot für jene Schüler, die bei den Tests als Problemschüler ausgewiesen werden, ist sie ebenfalls unzufrieden: Angesichts von 599 Schulstandorte könnten 20 Lehrer mit spezieller Förderausbildung, die als Multiplikatoren ihr Wissen verbreiten sollen, "bestenfalls als vorgezogener Aprilscherz" durchgehen.