
Wien. Andreas Gugumuck ist ein Missionar. Er denkt in großen Maßstäben. Eine kleine Revolution hat er geplant. In Zukunft sollen sich die Österreicher nicht länger an Rind, Schwein oder Huhn laben, sondern an einem schleimigen Weichtier: der Schecke. "Auch wenn sie viele Leute heute polarisiert, ist es das Lebensprodukt der Zukunft", sagt er ernst.
Der 38-Jährige ist Schneckenzüchter. Anfang Dezember hat ihn die Europäische Union mit dem Innovationspreis für Junglandwirte ausgezeichnet. Seit ein paar Jahren züchtet Gugumuck auf seinem Familienhof im zehnten Bezirk Weinbergschnecken. Inspiriert von Gerd Sievers "Schneckenkochbuch" hat sich Gugumuck an die Zucht der proteinhaltigen Kriecher gewagt. Mit 20.000 Schnecken hat alles begonnen, die er damals von einem deutschen Züchter gekauft hat. Heute tummeln sich 500.000 Schnecken auf seiner Schneckenfarm. Auf 1500 Quadratmeter beißen sie sich durch Sonnenblumen, Mangold, Raps und viele Kräuter wie Thymian und Fenchel. Im ehemaligen Schweinestall am Hof, der seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz ist, hat Gugumuck für die Weichtiere eine Liebeskammer eingerichtet. Dort soll der Monat Mai mit Licht, Temperatur und entsprechender Feuchtigkeit länger simuliert werden. Bis zu elf Stunden kann das Liebesspiel der Zwitterwesen dauern.
"Viele haben mich belächelt", erzählt Gugumuck die Reaktion seiner Bekannten in der Anfangsphase seines eigenwilligen Projekts. Als studierter Wirtschaftsinformatiker und ehemaliger Projektmanager bei IBM kommt er eigentlich aus einer ganz anderen Ecke. Dass ausgerechnet ein Computernerd sich an die schleimigen Tierchen wagt, hat im Freundeskreis für Kopfschütteln gesorgt.
Mittlerweile hat er sogar die Vegetarier unter ihnen von seinem Produkt überzeugt. Schließlich ist die Schnecke weder Fisch noch Fleisch. Sachte hat sie Gugumuck auf den Geschmack der Tiere gebracht. Auf Grätzelfesten hat er die Delikatesse als Fingerfood angeboten, mit gegrilltem Speck ummantelt, um die Hemmschwelle vieler Besucher zu nehmen. Stück für Stück tastet sich Gugumuck vor und beliefert diverse Haubenköche Wiens mit seiner "Wiener Schnecke". Sein Ziel ist es, irgendwann das gehobene Gastsegment zu erreichen, um die Schnecke auch im gemeinen Volk wieder gesellschaftsfähig zu machen. Wer früher die Frittatensuppe als Vorspeise bestellt hat, soll eben einmal ein Schnecken-Gulasch probieren. Nicht schleimig, auch nicht knorpelig, sondern überraschend fest ist das Fleisch der Schnecke.