
Wien. Von seinem Büro in einem der obersten Stockwerke des Florido-Towers in Floridsdorf sieht Karl Bier keines seiner Projekte - obwohl der Blick über ganz Wien und weit ins Umland reicht, bis zum Flughafen Schwechat. Den frequentiert der Chef des Wiener Immobilienentwicklers UBM in den letzten Jahren fast genauso regelmäßig wie die Unternehmenszentrale - denn den größten Teil seines heuer auf mehr als 300 Millionen Euro steigenden Umsatzes erwirtschaftet UBM mit seinen mittlerweile zwölf Niederlassungen in 12 europäischen Ländern.
Bürohäuser, Hotels und Wohnungen überall, von Paris über Amsterdam, Frankfurt, München, Berlin, Warschau, Krakau und so weiter - warum bauen Sie eigentlich nichts in Wien, Herr Bier?
"Das ist ganz einfach erklärt: In Polen zum Beispiel kann ich bei weitaus niedrigeren Grundstückspreisen und Baukosten fast genau so hohe Quadratmetermieten für Büroflächen erzielen, wie in Wien - dort ist einfach der Bedarf höher". Ähnliches gelte für bestimmte Hotelprojekte in verschiedenen Ländern und für Wohnungen in Deutschland.
Aber besteht nicht gerade beim Wohnbau in Wien hoher Bedarf? Auch da bremsen hohe Grundstückspreise und relativ hohe Errichtungskosten die Investoren: "Beim Grundstückspreiswettlauf machen wir nicht mit".
Auf jeden Fall müsste die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel schleunigst wieder eingeführt werden, meint Bier. Und auch bei den Energiestandards sieht er Möglichkeiten: "Die Standards vor zehn Jahren waren auch nicht gar so schlecht, aber wesentlich kostengünstiger."
Statt die Energie-Effizienz-Kriterien bei Neubauten immer höher zu schrauben, wäre es seiner Meinung nach wesentlich wirksamer für den Klimaschutz, wenn mehr in die Sanierung von Altbauten gesteckt würde - "damit würde man die angestrebten CO2-Einsparungen viel billiger und schneller erreichen".
Abgesehen davon, dass schon der erste Großauftrag für die 1873 als "Union Baumaterialien" gegründete und im selben Jahr an die Wiener Börse gebrachte Firma eigentlich ein Auslandsauftrag war - nämlich die Herstellung der Uferbefestigung der Donau in Budapest - hat die rasante Expansion der UBM jenseits der Grenzen erst in den 1990er-Jahren begonnen. "Wir sitzen hier übrigens in einem Wiener UBM-Projekt", sagt Bier: Der 30-stöckige Florido-Tower wurde 1999 in Angriff genommen, ein Jahr, nachdem Bier den Vorstandsvorsitz bei der UBM übernahm und den Grundstein für das Landstraßer W3 Center - mit den Village Cinemas - legte.
Kernmarkt Polen
Im Jahrzehnt drauf verschob sich der Schwerpunkt der UBM-Aktivitäten nach Zentral- und Osteuropa - und in jüngster Zeit wieder nach Westen. Deutschland und Polen sind derzeit die wichtigsten Märkte - beide mit guten Wachstumsaussichten. 2011 wurden in Polen fast 30 Prozent der Jahresbauleistung von damals mehr als 280 Millionen Euro erzielt: "Polen hat eine sehr robuste Wirtschaftsentwicklung, ist als einziges Land der EU auch in den Krisenjahren immer gewachsen".
Eines der ersten Vorzeigeprojekte aber war die Entwicklung der Andel-City in Prag: Dort entstand ab 1999 über mehrere Jahre hinweg auf dem bereits 1994 erworbenen 25.000 Quadratmeter großen brachliegenden Areal der ehemaligen Tatra-Straßenbahnfabrik zunächst ein Designhotel, später ein Boardinghaus, Bürogebäude, ein Kino- und Einkaufscenter und noch ein Hotel - praktisch ein neues Stadtviertel mit zuletzt 20 Gebäuden und mehr als 160.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche. Bis 2007 wurde die Andel City bei internationalen Investoren platziert.
Hohe Ziele
Das Erfolgskonzept? Man verfolgt eine "risikoaverse und substanzorientierte" Geschäftspolitik, wie es im Geschäftsbericht heißt. Umsatzwachstum um jeden Preis ist keinesfalls ein Ziel, spekuliert wird auch nicht. Wachsen will man nur aus eigener Kraft: Höchstens ein Viertel der Gewinne wird ausgeschüttet, der Rest wird thesauriert und wieder in Projekte veranlagt. Ohne Zuflüsse von außen wurde so in den letzten zwei Jahrzehnten der Umsatz mehr als verfünfzehnfacht. Während 2008 die Subprime-Krise weltweit über die Immobilienwirtschaft hereinbricht und Gesellschaften, die früher für unsinkbar gehalten worden waren, zusammenbrechen, schreiben die Wiener das beste Ergebnis ihrer Unternehmensgeschichte. "Kaum ein Unternehmen in Europa kann auf eine so stabil erfolgreiche Historie zurückblicken, schon gar nicht in der Immobilienbranche", meinen Analysten anerkennend.
Und man ist vielseitig: Entwicklung - inklusive auch Bau -, Vermietung und Verkauf von Immobilien aller Art - bis hin zum Betreiben beispielsweise von Hotels - das Leistungsspektrum "der kleinen, aber feinen" Firma ist breit. "Weil wir vielseitig sind, bekommen wir Projekte, die man niemandem anderen zutraut", meint Bier: "Manches können halt wirklich nur wir".
Beispiele? Etwa das 550-Zimmer-Hotel andels in Berlin: Da stieg UBM 2007 mit einem Partner in ein seit Jahren stecken gebliebenes Büro- und Kaufhaus-Projekt ein und stellte zwei Jahre später das mittlerweile sehr erfolgreiche Kongresshotel fertig.