
Wien. "Nach drei Jahren musste ich meine Tochter aus der Schule nehmen", sagt eine Mutter unlängst bei einer Podiumsdiskussion. Denn mittlerweile hätte ihr Kind einen türkischen Akzent, obwohl niemand in der Familie auch nur ein Wort Türkisch sprechen würde. Schuld an dem Akzent sei der in der Schule hohe Anteil von türkischsprachigen Schülern, betont die Mutter. Die Tochter würde jetzt in eine Privatschule gehen, um Deutsch zu lernen, ergänzt sie. Im Hinblick auf die Fragestellung der Veranstaltung "Wie viel Vielfalt vertragen Wiens Schulen?" sagt sie: "Mit Vielfalt habe ich kein Problem. Nur, wenn man kein Deutsch kann, dann kann man in der Schule auch nichts lernen." Die Mutter fordert eine Trennung in Schulen von deutsch- und nicht deutschsprachigen Schülern.
Bei der Veranstaltung der Zeitschrift "Kosmo" war auch Susanne Brandsteidl, Präsidentin des Wiener Stadtschulrates, anwesend. Die Trennung von deutsch- und nichtdeutschsprachigen Kindern hält sie für wenig sinnvoll. Stattdessen ließ Brandsteidl mit der Forderung der Kindergartenpflicht ab dem ersten Lebensjahr aufhorchen. Denn es gebe kein Migrations-, sondern ein "Subproletariatsproblem", wie sie bei der Veranstaltung erklärte.
Brandsteidl beruft sich auf die Ergebnisse der "Wiener Lesetests", bei denen jährlich rund 31.000 Schüler der vierten und achten Schulstufe abgeprüft werden. Dort sei herausgekommen, dass Schüler aus sozial schwierigen Verhältnissen die gleichen Leseschwächen haben, unabhängig davon, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. "Nur weil ich deutsch spreche, bin ich dadurch nicht gescheiter", betont Brandsteidl. Um die Leseschwächen zu beheben, wäre neben dem Pflicht-Kindergarten ab dem ersten Lebensjahr auch die Einführung der Ganztagsschule nötig. So könnte sichergestellt werden, dass sich ausschließlich Lehrer und nicht Eltern um die Leistung der Kinder in der Schule kümmern. "Als Eltern soll man schließlich nicht für den Mathematikunterricht, sondern fürs Liebhaben der Kinder zuständig sein."
Mehrsprachigkeit als Qual
In einem gibt die Stadtschulratspräsidentin der Mutter recht. Die Schüler müssen Deutsch können, um sich verständigen und im Unterricht mitkommen zu können. 49,5 Prozent der Kinder der ersten Klasse Volksschule sprechen auch eine andere Sprache als Deutsch, sagt Brandsteidl. So viel Mehrsprachigkeit sei durchaus positiv. Sie kann aber für Kinder zur Qual werden, wenn sie keine der Sprachen gut können.